So meldet sich Martina Utzig mehrmals während ihrer Bereitschaftszeit.
So auch während eines Gesprächs über ihre ehrenamtliche Arbeit. Eine junge Frau informiert über eine verletzte Katze auf dem Parkplatz des Bahia-Bades. Sofort macht sich die Tierretterin auf den Weg und nimmt mich mit.
Während der Fahrt erzählt sie, dass sie mit ihren aktiven Vereinsmitgliedern mehr als 1700 Mal im Jahr gerufen wird, weil sich Haus- oder Wildtiere in Notlagen befinden. Dann rücken sie mit ihrem Rettungswagen aus, ausgestattet mit Transportbox, Leiter, Inkubator für stark unterkühlte Tiere, Mittel zur Wundversorgung, einer Trage, Keschern und vielen anderen nützlichen Gegenständen.
Die Rettung der Bahia-Katze
Auf dem Parkplatz des Bahia warten zwei junge Leute. Sie haben die verletzte Katze weiter beobachtet. Diese hat sich hinter einem Vorderreifen eines geparkten Wagens versteckt. Sie sei wahrscheinlich an den Hinterbeinen verletzt, habe sich nur schleppend bewegen können. Martina Utzig weiß, dass verletzte Tiere enorme Kräfte mobilisieren können, um sich einer Gefangennahme zu entziehen.
Ausgestattet mit zwei Keschern, einer Transportbox und Decken, geht sie langsam in Richtung der verletzten dreifarbigen Katze. Die jungen Leute sind bereit zu helfen und nähern sich dem Auto aus der anderen Richtung, um ihr einen Fluchtweg ins nahe Gebüsch abzuschneiden.
Das Tier spürt die Annäherung der Menschen, verlässt seine Deckung und versucht panisch einen nahegelegenen Pfahl zu erklettern. Die Hinterbeine sind doch noch beweglich, aber offensichtlich auch verletzt. So gelingt es Martina Utzing mit einer schnellen und energischen Bewegung, die Katze im Netz des Keschers einzufangen. Die Hände mit bissfesten Handschuhen geschützt, muss sie nun das sich windende, fauchende und spuckende Bündel mit einem sicheren Nackengriff packen, um es in die Transportkiste zu bugsieren. Das gelingt im zweiten Anlauf. In der Box beruhigt sich das Tier. Auch die beiden jungen Leute sind erleichtert. Martina Utzig lädt sie ein, sich doch bei nächster Gelegenheit näher über die Arbeit der Tiernotretter zu informieren. „Ich nehme jede Gelegenheit wahr, vor allem junge Menschen anzusprechen, bei uns mitzumachen – wir brauchen sie dringend!“ sagt sie.
Es folgen Anrufe bei Tierärzten. Die eine Praxis ist über Mittag geschlossen, ein anderer Tierarzt liegt selbst krank danieder. Deswegen geht nach einem weiteren Anruf die Fahrt zunächst ins Tierheim. Dort wird die Katze bleiben, bis eine Tierarztpraxis am Nachmittag wieder geöffnet ist.
Wie könnte es für das Tier weitergehen, möchte ich wissen. Die Entscheidung wird der Veterinär treffen. Ist die Verletzung mit einer einmaligen Behandlung zu kurieren, wird diese durchgeführt und das Tier wieder in seine Bahia-Heimat zurückgebracht. Dort lebt die Katze schon seit vielen Jahren. Sie wird sich nicht mehr an eine Gefangenschaft gewöhnen können, ist Martina Utzig sich sicher. Sollte sich die Verletzung als schwerwiegend erweisen, etwa als komplizierter Bruch, wird es problematisch. Dann kann auch eine Erlösung die Lösung sein. Wild lebende Katzen entwickeln in Gefangenschaft durchaus suizidales Verhalten, weiß Martina Utzig. Sie rennen gegen Wände, bis sie blutig verletzt sind. Da endet dann auch die Tierrettung, denn Rettung bedeutet nicht Leben retten um jeden Preis, sondern Weiterleben im natürlichen Umfeld. „Wenn eine Möwe nie mehr fliegen können wird, hat sie ihren Lebensraum verloren“, betont die Tierretterin ernst.
Mittlerweile sind wir am Tierheim angekommen, und die jetzt ruhige Bahia-Katze wird dort einige Stunden auf die ärztliche Versorgung warten müssen.
Dörte
Wir wollen gerade losfahren, als Dörte mit ihren Menschen kommt. Aus einem kurzen Plausch wird ein längerer Bericht: Früher einmal hieß Dörte Azul und lebte unter schwierigsten Bedingungen in Ungarn. Sie wurde hergebracht, und bei der Übergabe passierte es dann: Sie konnte sich davonmachen. Via Facebook wurde nach ihr gesucht. Sie wurde an unterschiedlichsten Stellen gesehen, ließ sich aber keinesfalls einfangen. Erst in einer Scheune in Winterswijk konnte sie nach vielen Tagen der Flucht in einer mehrstündigen Aktion mitten im Winter wieder in menschliche Obhut genommen werden und musste dann langsam aufgepäppelt werden. Jetzt ist sie immer noch scheu und schmal, aber sie beginnt ihre schlimmen Erinnerungen zu vergessen.
Wünsche
Wir fahren zurück. Der Kaffee ist mittlerweile kalt. Wenn eine Rettungsaktion so verläuft wie gerade eben, weiß Martina Utzig: Mit meiner freien Zeit mache ich genau das Richtige! Und sie wünscht sich, dass viele Menschen das genauso sehen und ihre Arbeit praktisch durch Mithilfe unterstützen oder aber mit einer Spende dafür sorgen, dass die Arbeit weitergehen kann. – bh –
Nachtrag (Mail von Martina Utzig)
Der Verein ist bei Notfällen jederzeit telefonisch erreichbar: 02872/949462
(Hier können sich auch an Mitarbeit interessierte Menschen beraten lassen.)
Bei Facebook finden sich Filme einiger Rettungsaktionen