Es ist ein besonderer Ortstermin. Uta Hügging-Neise, die 1. Vorsitzende des Hemdener Vereins “Stiftung St.-Helena-Kapelle e.V.” lädt mich in die Kapelle an der Alten Aaltener Straße ein.
In der weihnachtlichen Atmosphäre vor der Krippe erzählte sie mir spannende Geschichten über die St.-Helena-Kapelle, deren Zukunft ohne ihre Initiative, Ideen und ihr Engagement unsicher gewesen wäre.
110 Jahre Bocholter Geschichte
Die Geschichte der Kapelle beginnt 1912. In der Siedlung “Walderholung” im Wäldchen hinter dem Bahia wurde eine Außenstelle des Krankenhauses gebaut, um Tuberkulosekranke zu versorgen. Tagsüber versorgten einige Schwestern des Clemensordens aus Münster die Kranken. Als die Außenstelle erweitert wurde und die Patienten auch über Nacht dort blieben, wurde die Anwesenheit mehrerer Clemensschwestern vor Ort notwendig. Diese baten dann um eine Kapelle, nicht nur für sich, sondern auch für die Patienten. Letztendlich kamen dann zu den Sonntagsmessen dort auch die umliegenden Bauernfamilien in die Kapelle, da der Weg kürzer war als zur Georgskirche. Es gab die strenge Pflicht, am Sonntag (oder am Vorabend) zur Kirche zu gehen. Fast alle gingen zu Fuß, denn der Besitz eines Fahrrades war eher die Ausnahme. So wurde eine Kapelle in Holzbauweise direkt neben die Krankenstation gebaut. Mit der Machtübernahme der NSDAP 1939 waren die Clemensschwestern nicht mehr erwünscht. Die Kapelle passte auch ideologisch nicht ins Bild und wurde 1939 abgebaut und in Hemden wieder aufgebaut.
Verkauf der Kapelle
Im Januar 2021 erscheint im lokalen Pastoralplan der katholischen Pfarrei St. Georg ein Beitrag über das Immobilienkonzept der Gemeinde. Darin geht es um den Verkauf der Kapelle für einen Preis von einem Euro und die eventuelle Gründung eines Kapellenvereins. Spontan treffen sich 50 Hemdener im Sportverein, um Ideen für eine Rettung des Gotteshauses zu suchen: die Nutzung als Theater, Kino oder Kneipe sind nur einige davon.
Tradition trifft Vision
“Kultur und Kirche müssen zusammengehen”, hat Uta Hügging-Neise von Beginn an im Sinn. Um aktiv neue Konzepte für den Erhalt zu erarbeiten, wurde der Kapellenverein gegründet. Diesem ist es wichtig, nicht in Konkurrenz zu den anderen Hemdener Vereinen zu stehen. So gibt es lediglich sieben Mitglieder, dafür aber zahlreiche ehrenamtliche Helfer, die sich ohne Vereinsmitgliedschaft engagieren und mit Spenden den Verein unterstützen. Gut die Hälfte des erforderlichen Stiftungskapitals von 200.000 Euro sind seit der Gründung schon gesammelt worden. Bis zum 90-jährigen Bestehen der Kapelle an ihrem jetzigen Standort im Jahr 2029 möchte der Verein das Stiftungsvermögen zusammenhaben. Dann lassen sich aus den Erlösen die laufenden Kosten und Reparaturen bestreiten.
Das ewige Licht
Einen gut gefüllten Veranstaltungskalender gibt es schon. Messen, Andachten, aber auch Hochzeiten und Trauerfeiern oder ein Workshop finden statt. Am 24. Dezember steht der “unheilige Morgen” auf dem Programm. Kerzen und Postkarten können erworben werden. In erster Linie geht es dem Verein um den Erhalt des Gebäudes für Gläubige. So brennt auch das ewige Licht am Altar rund um die Uhr, da sich der Nachbar regelmäßig um den Austausch der Kerze kümmert. Jener Nachbar schließt auch morgens das Gebäude auf und abends zu, damit jeder, der vorbei kommt, kurz einkehren kann. “Als Stiftung haben wir viel mehr Möglichkeiten , noch mehr Veranstaltungen zu machen”, erklärt die Vorsitzende, und man sieht ihren strahlenden Augen an, dass sie auch schon viele Ideen im Hinterkopf hat.
Hütte der guten Taten
Auch auf dem Bocholter Weihnachtsmarkt ist der Verein präsent. Uta Hügging-Neise verteilt Passanten Flyer, mit dem Hinweis, sich auf der Webseite (www.kapelle-hemden.de) gerne über die aktuellen Termine zu informieren. Viele Besucher des Weihnachtsmarktes zeigen Interesse und kommen mit der Vorsitzenden ins Gespräch. In der “Hütte der guten Taten” wird Selbstgemachtes der Hemdener Landfrauen verkauft oder gegen eine Spende abgegeben. Am 22. Dezember ist der Verein noch einmal auf dem Weihnachtsmarkt vertreten.
–cw-
Fotos: WfB