Wenn es darum geht, ehrenamtliche Aufgaben zu übernehmen, kann Leo nicht anders: Er greift zu. Und das, was er tut, macht er mit vollem Einsatz.
Die Kindheit von Leo Heßling als echter Bocholter Junge war geprägt vom Spagat zwischen Fröhlichkeit und Frömmigkeit. Seine Eltern betrieben die Gaststätte „Zum Blauen“, eine angesagte Lokalität in der Wesemannstraße gegenüber der Liebfrauenkirche. Dort fanden Tanztees und alle möglichen Veranstaltungen statt, sodass die Eltern stets alle Hände voll zu tun hatten. Sobald sie alt genug waren, halfen Leos zwei Schwestern eifrig mit, und Leo wuselte zwischen Küche, Theke, Gästen, Bedienung herum. Auch in der Wohnung der Heßlings oben drüber waren das Stimmengewirr und die Musik unüberhörbar, wie auch das regelmäßige Schlagen der Kirchturmuhr und das Läuten der Glocken.
Ein Bruder von Leos Mutter, Onkel Alois, war Steyler Missionar. Wenn er in Bocholt zu Besuch war, sorgte er mit seiner Fröhlichkeit und Gitarrenspielkunst immer für beste Laune. Er wirkte ausgeglichen und zufrieden. Somit fiel seitens der Eltern die Entscheidung: „Der Junge wird Priester.“ Dazu bot sich geradezu das Missionshaus St. Michael in Steyl an, dessen Internat einen guten Ruf hatte. So wechselte Leo mit zehn Jahren von der Grundschule auf das Gymnasium in Steyl – zusammen mit einer Reihe anderer Jungen aus Bocholts Bürgerhäusern.
Bloß raus aus dem straffen Korsett
Doch Leo hielt es nur drei Jahre – wie er selbst sagt, drei endlos lange Jahre – dort aus. Das Reglement war äußerst streng. Um ein Beispiel zu geben: Die kleinen Jungen durften erst am zweiten Weihnachtstag nach Hause, die religiöse Erziehung ließ ein früheres Verlassen des Missionshauses nicht zu. Die Kinder hatten einen schweren Stand, Briefe an die Eltern, in denen die Jungen sich über Bestrafungen für Verstöße gegen die Vorschriften beklagten, wurden zensiert. Herumtollen, lauthals singen, albern sein war untersagt. Um das Ganze zu ertragen, schloss Leo sich mit ein paar anderen Internatsschülern zu einer Gruppe zusammen. Sie versuchten, sich gegenseitig zu unterstützen und ab und an dem straffen „Korsett“ zu entkommen. Ein nach draußen geschmuggelter „Brandbrief“ brachte endlich die Erlösung: Leo durfte wieder nach Bocholt und besuchte dort das St.-Georg-Gymnasium.
Schon sehr früh trat Leo dem Kirchenchor St. Georg bei – schließlich war und ist die Sangeslust eine seiner großen Leidenschaften. Auch während seiner beruflichen Tätigkeit, erst als Bankkaufmann, später als Geschäftsführer beim japanischen Brother-Konzern, was mit vielen Reisen in alle Kontinente verbunden war, blieb er dem Kirchenchor treu. Seit gut 20 Jahren ist er dessen Vorsitzender, hat eine Vielzahl von Konzerten organisiert, auch den Kontakt zu einem Chor in Aurillac geknüpft, der zwischenzeitlich ein wenig einzuschlafen drohte.
Gründer und Organisator
Anlässlich der 40-jährigen Partnerschaft der Städte Bocholt und Aurillac wurde 2011 auf Anstoß von Leo Heßling und seiner Frau Margret der Projektchor „Bocholt-Aurillac“ gegründet. Dies ist ein ehrenamtlicher Laienchor mit 60 Sängerinnen und Sängern aus verschiedenen Chören aus Bocholt und Nachbarstädten, die immer nur bezogen auf konkrete Projekte zu Proben zusammenfinden. Um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, organisiert Leo für die Gruppe Wochenendausflüge mit Besichtigungen und fröhlichem Beisammensein.
Im Mai 2012 fand ein erstes gemeinsames Friedenskonzert mit dem „Chorale du Millenaire“ in Aurillac statt. Im November 2014 wurde der Bocholter Projektchor zu einem Friedenskonzert als Erinnerung an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren nach Aurillac eingeladen. Es folgten Gegenbesuche der Franzosen. Sowohl in Aurillac als auch in Bocholt erfolgte die Unterbringung in den Familien der jeweiligen Gastgeber.
Preiswürdiges Engagement
Die gemeinschaftlichen Aktivitäten wurden auch auf andere Partnerstädte ausgedehnt, zunächst durch Kontakte zu einem Chor in Belgisch-Bocholt. Am 21. Mai 2017 erhielt der Bocholter Chor dann die offizielle Bezeichnung Projektchor “Städtepartnerschaften”. Seitdem haben Chorreisen zu den befreundeten Städten Akmene (das Eingangsbild ist auf einer Reise das Projektchors nach Litauen entstanden), Riga (Lettland) und Rossendale (England) stattgefunden, deren organisatorische Leitung in Leos Händen lag. Diese vielfältigen Aktivitäten blieben auch über Bocholt hinaus nicht verborgen, und so erhielt der Projektchor 2019 die Auszeichnung “Europäische Zivilgesellschaft” des Landes NRW für vorbildliches europäisches Engagement.
Leos Aktivitäten steuern auf einen weiteren Höhepunkt zu, auf den nicht nur er sich freut: Am 24. April 2021 wird anlässlich „250 Jahre Beethoven“ das Friedenskonzert „Musik ohne Grenzen“ mit Chören aus sechs europäischen Ländern nachgeholt. Nähere Informationen zu diesem Konzert sind in unserem Artikel „Beethoven wird das Warten verzeihen“ in dieser Rubrik zu finden.
- Der „grenzenlose Gesang“ ist nur ein Feld, auf dem sich Leo ehrenamtlich tummelt. Was er da sonst noch alles „treibt“, lesen Sie demnächst in einer Fortsetzung an dieser Stelle. – ah –