Kontakte, Nähe – plötzlich ist das ein Problem. Eigentlich paradox: Aus diesem Problem können neue Kontakte erwachsen, wie die folgende Geschichte zeigt.
Sabrina Hirschfelder hatte Zeit. Mehr verfügbare Zeit als vorher, als die Schulen noch nicht geschlossen waren, als es für sie als Pädagogin an der Bischof-Ketteler-Schule noch den ganz normalen Schulalltag gab und noch keine virtuellen Meetings, kein ausschließliches Home Office, kein Home Schooling. Unverhoffte Zeit, Zusatzzeit für die Familie, für Ehemann, vier Kinder, Hund, Haus, Garten. Endlich mal. Und was macht sie? Sie knappst sich vom überraschenden Zeitgewinn ein bisschen ab, entdeckt die Initiative Corona-Hilfe und teilt denen mit: Ich hätte Zeit mitzuhelfen.
Wenig später lernt sie ein älteres Ehepaar kennen. Auch die beiden hatten bei der Corona-Hilfe angerufen. Denn da war eben dieses Kontakt- und Nähe-Problem, sie erfuhren, dass sie zur Risiko-Gruppe zählten und zu Hause bleiben sollten. Nachdem sie sich per Telefon angekündigt hat, steht Sabrina Hirschfelder bei ihnen vor der Tür. Die Corona-Helferinnen und -Helfer, zu denen sie jetzt zählt, können sich ausweisen, aber es geht um mehr als um integren Service: Ein solcher neuer Kontakt hat auch mit Sympathie und mit persönlichem Vertrauen zu tun. Gleich die erste Begegnung ist freundlich und unkompliziert: Ein Einkaufszettel, wenige Erläuterungen und Absprachen.
Lebensmittel, Masken, Handschuhe
Das Ehepaar ist froh über die unbürokratische Hilfe, hat keine ganz speziellen Sonderwünsche, lässt Sabrina Hirschfelder vielfach freie Hand. Die besorgt neben Lebensmitteln auch Schutzmasken und Handschuhe aus der Apotheke. Beim Einkaufen streckt sie jeweils das Geld vor, das die beiden ihr hinterher auszahlen. Es klappt prima, sie bietet einen zweiten Einkauf pro Woche an, und das Ehepaar geht dankbar darauf ein – „wenn es Ihnen nicht zu viel wird“.
Und noch ein neuer Kontakt und noch mehr Einkäufe: Kurz darauf kümmert sich Sabrina Hirschfelder um eine zweite Familie, ebenfalls in ihrem Stadtteil, ebenfalls in Stenern. Die Freude über die sympathische Helferin ist groß, nicht nur, weil sie ein Versorgungsproblem löst, sondern auch, weil da eine Gesprächspartnerin ans Haus kommt, das man ja nicht verlassen darf. In diesem Fall wird die Einkaufsliste mit Fotos gewünschter Artikel ergänzt.
Wenn Sabrina Hirschfelder einkaufen geht, wird sie oft von ihrem Mann unterstützt, dem das Virus Kurzarbeit beschert hat. Das Teamwork ist von Vorteil, wenn unter anderem Kästen mit Mineralwasser zu tragen sind, aber auch in organisatorischer Hinsicht: Einer bestückt den Einkaufswagen für den eigenen Bedarf, der andere den zweiten Wagen mit den Wunschprodukten der zu versorgenden Familie.
Kontakte bleiben
Die engagierte ehrenamtliche Einkäuferin erntet Dank – auch in Form von Blumen, selbstgebackenem Kuchen, kleinen Geschenken. Es sei toll, hört sie, „dass es so etwas überhaupt gibt“, diese Hilfe, dieses Kümmern. Sie empfinde, „dass die mich schon brauchen.“ Und sie hat „einfach ein schönes Gefühl“.
Dann fing die Schule wieder an. Die Zeit wurde knapper. Aus den zwei Einkäufen für das erste betreute Ehepaar wurde mit vollem Verständnis der Betroffenen wieder einer. Im zweiten Fall haben sich Mann und Frau langsam wieder getraut, vor die Tür zu gehen und sich selbst zu versorgen. Das unfreiwillige Einigeln tat ihnen besonders weh, weil sie „sehr weltoffen“ sind, wie Sabrina Hirschfelder sagt, und gerne etwas unternehmen.
Die aus der Kontaktlosigkeit entstandenen Kontakte bleiben. Mit einer der Familien sind Sabrina Hirschfelder und ihr Mann zum Treffen im Garten verabredet. „Wir telefonieren viel miteinander“, sagt sie. Da sei eine Freundschaft entstanden. – jf –