Die bei OMEGA ehrenamtlich tätigen Menschen haben sich zur Aufgabe gemacht, sterbenden und trauernden Menschen zur Seite zu stehen.
„Man lässt Menschen nicht alleine sterben; ich wollte auch mein Haus nicht alleine sterben lassen.“ Dieses Zitat stammt von einer alten Dame aus dem kleinen Dorf Bondo in der Schweiz, die dem unabänderlichen Abriss ihres Hauses beiwohnte. Infolge des Klimawandels war ihr Elternhaus, das sich seit über 350 Jahren im Besitz der Familie befand, einem Erdrutsch zum Opfer gefallen. Die ruhige Selbstverständlichkeit dieser Aussage strahlt mir beim Gespräch mit meinen beiden Interviewpartnern von OMEGA Bocholt e.V. entgegen. Für sie, wie für alle bei OMEGA tätigen Frauen und Männer, steht der schwer kranke und sterbende, aber auch der trauernde Mensch im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit.
Vielfältigkeit und Vorbereitung
Christel van der Linden, Koordinatorin für den ambulanten Dienst bei OMEGA, hatte mich zu einem Gespräch mit Volker Stein und Bärbel Lechtenberg, beide ehrenamtliche Mitarbeiter, eingeladen. Gleich zu Beginn wird deutlich, dass ich meine persönliche Wahrnehmung von OMEGA revidieren muss; das hat nichts mit Händchenhalten am Sterbebett zu tun. Die Einsatzbereiche sind äußerst vielfältig. Während Volker Stein seit fünf Jahren in der Sterbebegleitung tätig ist, engagiert sich Bärbel Lechtenberg seit knapp zwei Jahren im ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst.
Volker Stein hat seiner Mutter sowie seiner Schwägerin bis zu ihrem Tod Beistand geleistet, und dabei ist ihm bewusst geworden, wie diese Begleitung den Sterbenden hilft. Daher hat er sich entschieden, auch anderen todkranken Menschen in ihren letzten Stunden zur Seite zu stehen, zumeist in Nachteinsätzen, an den unterschiedlichsten Örtlichkeiten: in den eigenen vier Wänden, im Krankenhaus, im Pflegeheim oder im Hospiz.
Bärbel Lechtenberg betreut Kinder, die ein Elternteil verloren haben. Dies geschieht im Rahmen des ambulanten Kinder- und Jugend-Hospizdienstes. Dessen Schwerpunkt liegt darin, Familien mit Kindern und Jugendlichen, die an einer lebensverkürzenden Krankheit leiden, oder in denen ein Elternteil im Sterben liegt, zu begleiten und zu unterstützen. Bärbel Lechtenberg hatte sich schon länger mit dem Gedanken beschäftigt, sich ehrenamtlich zu engagieren. Im Programmheft der Familienbildungsstätte stieß sie auf die Ankündigung eines Kurses mit dem Titel “Ich sterbe – störe ich?” Das war der Moment, in dem sie das Gefühl hatte: „Ja, das passt.“
Seminare sowie Vorträge bieten die Möglichkeit, den persönlichen Einsatzbereich zu finden. Verteilt auf das gesamte Jahr finden unter anderem verschiedene Themenabende, Austauschtreffen sowie Fachtagungen statt. Für Fragen jeglicher Art findet sich immer ein offenes Ohr. In Vorbereitungskursen werden unterschiedliche Situationen aufgezeigt, die den ehrenamtlichen Mitarbeitern begegnen können.
Ehrenamtliche Sterbebegleitung
Volker Stein erzählt, dass er seinem ersten Einsatz “mit etwas Bauchgrimmen” entgegengeblickt hat. Maria Heling, Mitglied im Omega-Vorstand, konnte ihm in ihrer ruhigen und besonnenen Art sehr schnell seine Ängste nehmen. Wichtig ist, dem im Sterben liegenden Menschen nicht gänzlich unvorbereitet zu begegnen. Einige Hinweise zur Person, Lebenssituation, Krankheit sind notwendig, um ihm auf möglichst einfühlsame Weise zur Seite zu stehen. „Wir müssen uns darüber klar sein, dass wir für den Sterbenden Fremde sind, so wie er für uns“, sagt Volker Stein. Die Sterbebegleiter seien nicht grundsätzlich willkommen. In der Ausbildung werden alle dahingehend geschult, auf Signale zu achten, um Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen. Manche der Sterbenden möchten reden, andere nur das Vorhandensein eines anderen Menschen spüren. Es gibt auch durchaus Wachen, in denen gelacht wird. Häufiger schlafen todkranke Menschen tagsüber sehr viel und sind dann nachts eher wach. Dann ist es wichtig, dass jemand am Bett sitzt.
Nachts wird grundsätzlich nach vier oder auch schon nach zwei Stunden der Begleiter gewechselt. Volker Stein gibt dafür eine verständliche Begründung: „Sterben ist eine sehr intime Angelegenheit, die volle Aufmerksamkeit beansprucht.“
Ehrenamtlicher ambulanter Kinder- und Jugendhospizdienst
Seit gut einem Jahr unterstützt Bärbel Lechtenberg Familien bei ihrer schweren Aufgabe, sich mit dem Sterben eines ihrer Mitglieder auseinandersetzen zu müssen. Kinder und Jugendliche brauchen Beistand, wenn ein Elternteil oder eines der Geschwister unheilbar erkrankt ist. Dabei geht es nicht nur darum, als mögliche Ansprechpartnerin zur Seite zu stehen, Beistand anzubieten für die Verarbeitung der schlimmen Diagnose und über den Tod hinaus, sondern auch in ganz alltäglichen Dingen ist Hilfe nötig. Nicht jeder Schwerstkranke ist bettlägerig, er möchte vielleicht kleine Spaziergänge unternehmen oder sich mit Gesellschaftsspielen ablenken. Während Bärbel Lechtenberg sich mit dem Kranken beschäftigt, können die Familienmitglieder sich um ihre eigenen Aufgaben kümmern oder einfach mal etwas verschnaufen.
Hilfe für das „Leben bis zuletzt“
Beide, Volker Stein wie Bärbel Lechtenberg, sind sich darin einig, dass sie mehr zurückbekommen als sie einbringen. Ihre Hilfe wird positiv angenommen – von den Sterbenden, den Angehörigen, dem Personal in Pflegeheimen oder im Hospiz. Leider neigen wir Menschen gerne dazu, das Thema Sterben zu verdrängen. Vielen Angehörigen könnte eher und mehr Beistand gegeben werden, wenn sie besser über das informiert wären, was OMEGA leisten will und kann.
Rund 100 Ehrenamtliche sind bei OMEGA tätig, werden gut und regelmäßig von Koordinatoren betreut, die auch dafür sorgen, dass die Begleiter nicht überfordert werden. Supervisionen und ein monatliches “Austauschfrühstück” bieten Gelegenheiten, über schwierige Situationen zu sprechen, Erfahrungen auszutauschen. – ah –