Die Spielzeit unseres Bocholter Stadttheaters beginnt zumeist Mitte August und verteilt sich auf alle Monate bis Ende Mai. Mit den Vorarbeiten dafür starten die ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder des Theatervereins bereits im Sommer des vorangehenden Jahres.
Es ist nicht ganz einfach, sie zu einem Interview zusammenzubringen, schließlich sind alle auf vielen anderen Ebenen tätig. Meine Gesprächspartner: Hermann Oechtering, vor seiner Pensionierung Lehrer am St.-Georg-Gymnasium, Prof. Dr. Thomas Siebe, Professor an der Westfälischen Hochschule, und Oliver Marke, ehemals Schüler, nun Lehrer am Georgs (Foto oben von links). Sie sind für die Gestaltung des Abend- sowie des Kinder- und Jugendprogramms verantwortlich. Der Bereich Konzerte wird von Annette Oehmen betreut. Insgesamt sind neun Personen damit beschäftigt, den Theaterverein „lebendig“ zu halten und ein zündendes Programm für Bocholt zusammenzustellen. Das erfordert viel Zeit und Einsatz.
Dieses Engagement ist außergewöhnlich. In Nordrhein-Westfalen gibt es ca. 100 Häuser, die auf Gastspiele angewiesen sind, da sie kein eigenes Ensemble haben. Auch in Bocholt ist das so. Von diesen 100 Theatern stehen nur zehn unter ehrenamtlicher Leitung, die anderen werden vom Kulturamt oder einem sogenannten Kulturmanager organisiert.
Vorlaufzeit
Pro Theatersaison werden etwa 35 Dramen-Aufführungen geplant, dazu kommen sechs bis acht Musikveranstaltungen. Von Jahr zu Jahr ist dafür eine Auswahl zu treffen. Bocholt ist Mitglied der Bundesvereinigung „Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen“ (Inthega). Sie unterbreitet ein umfangreiches Angebot für Theatergastspiele. Der Jahreszyklus für die Bocholter Theatersaison beginnt mit der Inthega-Messe in Bielefeld, die jetzt auf die Zeit vor den Sommerferien vorverlegt wurde. Für Dr. Thomas Siebe und Oliver Marke wird die ehrenamtliche Tätigkeit dadurch erschwert, schließlich sind sie beruflich gerade zu dieser Zeit stark eingespannt (Semesterende und Schuljahresende). Trotz dieser Schwierigkeiten freuen sie sich auf diese Messe, denn dort treffen sich alle „Gaukler“ aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, und bestehende Kontakte können gepflegt, neue geknüpft werden.
Eine der Quellen für das Programm des Theatervereins sind die vier Landestheater in NRW – Castrop-Rauxel, Detmold, Dinslaken und Neuss -, die vom Land verpflichtet sind, Gastspiele durchzuführen. Im frühen Herbst stellen die Intendanten und Ensembles der Landestheater noch einmal gesondert ihre Spielpläne vor. Auf der Bühne werden kleine Kostproben, sogenannte „Appetithäppchen“, präsentiert, darüber hinaus gibt es unterschiedliche Sprechvorführungen. Alle Angebote sind in einer dicken Broschüre zusammengefasst, die zur Ansicht bereitgestellt wird. Diese wird im Verlauf der nachfolgenden Wochen sorgfältig studiert.
Programmgestaltung
Und dann ist bereits Oktober. Für die Auswahl des Programms gibt es selbstauferlegte Richtlinien, die von den Bocholter Theatermachern beachtet werden müssen. So wird gefiltert nach Klassikern (hochliterarische Stücke), die auch für Schulen und die Abitur-Anforderungen geeignet sind, zeitgenössischen Stücken, die sich mit gegenwärtigen Problematiken beschäftigen, und Lustigem, Flockigem zur Erheiterung des Publikums.
Ist die Wunschliste erstellt, wird mit den jeweiligen Ansprechpartnern verhandelt. Dabei geht es auch darum, zu welchen Terminen die Gastbühnen anreisen könnten. Dann wird der Spielplan „gebastelt“ und in einem Programmheft dem Publikum präsentiert. Für das bunte und ansprechende Layout ist Bernd Stoverink verantwortlich. Wenn das Programm dann steht, wird „getrommelt und gepfiffen“.
Vor der Pandemie und dem Wegfall des Bühnenhauses als Veranstaltungsort aufgrund der Rathaus-Sanierung betrug das jährliche Budget 300 000 €, die Hälfte davon wurde durch Zuschüsse der Stadt finanziert. „Wir haben schon immer kämpfen und strampeln müssen, um die Kosten zu tragen“, lautet der Kommentar von Hermann Oechtering. „Etwa drei bis fünf Stücke im Jahr brachten ein volles Haus, damit auch gute Einnahmen.“ Der Theaterverein ist dankbar, dass die Stadt auch weiterhin ihren Zuschuss leistet. „Die Stadt weiß genau, was sie an uns hat. Sie muss kein eigenes Ensemble und keinerlei Bühnenaufbauten finanzieren.“ – ah – (Teil 2 folgt)