Wer in Bocholt etwas über Fridays for Future erfahren möchte, hört immer wieder einen Namen: der Paul.
Paul Büttner ist 17 Jahre alt, steht vor dem Abitur am Euregio-Gymnasium, ist seit drei Jahren in der SPD aktiv und seit dem vorigen Jahr ein fester Bestandteil der Gruppe junger Menschen, die sich freitags schulstreikend und demonstrierend für ihre Zukunft in einer lebensfreundlichen Umwelt engagieren.
Demokratie ist ihm nach seinen Worten eine Herzensangelegenheit, und er ergreift die Möglichkeiten einer demokratischen Mitgestaltung. Als sich in Borken die ersten Fridays for Future-Aktivitäten regten, war für ihn klar: Da muss ich dabei sein. Schnell gewann er MitstreiterInnen an seiner und an anderen Schulen in Bocholt. Als er die ersten Plakate in seiner Schule anbrachte, musste er seinem Direktor noch erklären, worum es dabei überhaupt ging. Mittlerweile ist die Bewegung weltweit bekannt und hat am 20. September Millionen Menschen in aller Welt auf die Straße gebracht. An seiner Schule werden die AktivistInnen zumeist mit Wohlwollen betrachtet.
So funktioniert es
Erstaunlich ist, dass diese Bewegung nicht von oben nach unten regiert wird, sondern sich von unten her organisiert. Das funktioniert in Bocholt so: Es gibt eine WhatsApp-Gruppe, in der sich in Bocholt etwa hundert Menschen beteiligen. Hier kann sich jeder mit Ideen einbringen, und gemeinsam wird bei Treffen im Langenbergpark beraten, welche Aktivitäten als sinnvoll erachtet werden. Wenn zum Beispiel eine Demonstration geplant wird, fängt die Arbeit erst richtig an: Der Weg muss festgelegt und bei der Polizei angemeldet werden, ein Hauptverantwortlicher muss als Ansprechpartner benannt werden, ebenso OrdnerInnen, die eine Demo begleiten. Weiter müssen sich Beteiligte finden, die Transparente und Plakate gestalten, für Lautsprecher sorgen, die über soziale Medien und AnsprechpartnerInnen für die Veröffentlichung der Aktion sorgen. Das ist eine lose, aber effiziente Struktur, die funktioniert, weil alle Beteiligten ein gleiches Ideal vor Augen haben, so Paul.
Dabei erfahren die jungen Leute eine Menge Unterstützung durch Parteien und Institutionen. SPD und Grüne leihen Know-how und Equipment aus, der NABU ist präsent, von anderen Parteien wird zumindest hinter vorgehaltener Hand Respekt geäußert.
Im Kreuzfeuer
Aber es gibt auch die andere Seite. Der offene Hass in sozialen Medien, der sich im Netz über Greta Thunberg ergießt, schwappt auch auf diejenigen über, die ihren Spuren folgen. So bezeichnet Paul Büttner sich ironisch als „linksgrünversiffter Gutmensch”. Auch so kann man Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen.
Dabei fühlt er sich lieber als Teil von etwas Großem. Als sich am 20. September eine unerwartet hohe Beteiligung an der Demonstration in Bocholt abzeichnete – 600 TeilnehmerInnen – war es für ihn, als würde all die Arbeit, die er und seine MitstreiterInnen in den Wochen zuvor geleistet hatten, in einem ‚europäischen Gefühl‘ aufgehen. Europa sei doch noch nicht eingeschlafen und könne ein Vorbild und Chance für etwas Neues sein, so Paul.
Musik und Achtsamkeit
Und weil für Paul der Tag offenbar mehr Stunden hat als für andere, gibt es auch noch den Musiker Paul. Klavier, Gitarre und Ukulele sind seine Instrumente. Und man solle nicht auf die Idee kommen, die Ukulele als „kleine Gitarre“ zu verstehen, diktiert er mir in die Feder, die sei ein ganz eigenständiges Instrumentchen. Musik scheint ein Lebenselixier für ihn zu sein – von barocker Klassik bis zum Punkrock. Beste Grundlage für seinen Studienwunsch: Musikwissenschaften und Geschichte will er studieren und dann sehen, was daraus beruflich werden kann. Und seine Hausaufgaben für Deutsch muss er gleich auch noch schreiben, mit seinem geliebten, sehr alten Federhalter, den er ebenso in Ehren hält wie die fünfzig Jahre alte Kamera mit Rollfilm für zwölf Bilder, die ihm beigebracht hat, genau hinzuschauen, auf den richtigen Moment zu warten und mit seinen Ressourcen voller Bedacht umzugehen. – bh –