Sozialstaat mit Rundumversorgung – für viele von uns ist das selbstverständlich, aber längst nicht für alle.
Nun gut, nicht alles ist perfekt, und nicht jeder ist etwa mit den Leistungen seiner Krankenversicherung zufrieden. Doch was ist mit denen, die gar nicht krankenversichert sind? Das sind mehr als man meint. Der Verein Engagement für Menschen und Rechte e.V., kurz EMRe, kümmert sich um sie.
„Der Gang zum Arzt ist nicht für jeden eine Selbstverständlichkeit“, sagt Ulrik Störzer, der sich im Team des Vereins engagiert. Eben auch deshalb, weil die Betroffenen nicht krankenversichert sind – aus welchen Gründen auch immer. Ursachen dafür können beispielsweise Insolvenz, Altersarmut, Scheidung oder der Verlust des Arbeitsplatzes sein. Waren sie zuvor privat versichert, sind nicht in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen, es sei denn sie sind zu Hartz IV-Empfängern geworden. Darüber hinaus bekommen auch Obdachlose und Asylbewerber häufig nur eine medizinische Grundversorgung.
Was leistet EMRe?
EMRe wurde im März 2013 gegründet, aus dem Bedürfnis heraus, diese Problematik aktiv anzugehen. Den Mitgliedern geht es laut Flyer um eine „Grundversorgung von unversicherten und papierlosen Menschen“. Sie haben Unterstützung von Ärzten vieler Fachrichtungen bekommen, die sich ehrenamtlich für die Behandlung der angesprochenen Personengruppen zur Verfügung stellen. „Es war kein Problem, genügend Ärzte zu finden“, sagt Ulrik Störzer. „Es gibt auch einen Apotheker, der die Medikation übernimmt. Auch die Institutionen vor Ort ziehen an vielen Stellen gut mit.“
Von April 2013 bis Ende 2017 wurden samstags von 10.30 bis 12.30 Uhr regelmäßige Sprechstunden abgehalten, zunächst in den Räumlichkeiten der Familienbildungsstätte (Fabi), dann in der Kreuzstraße, da dort die Anonymität besser gewahrt werden konnte. Zur Sprechstunde waren grundsätzlich ein ehrenamtlicher Helfer von EMRe und ein Sanitäter vom Arbeiter-Samariter-Bund anwesend – „nach dem Vier-Augen-Prinzip“, wie Störzer sagt. Dies hatte für beide Seiten, Patienten wie Behandelnde, eine gewisse Schutzfunktion.
Zunächst wurden die auftretenden Beschwerden erfragt. Manchmal reichte die Versorgung durch den anwesenden Sanitäter aus. Wenn nicht, wurde der Arzt, der Hintergrunddienst hatte – in der Regel ein Allgemeinmediziner – hinzugezogen. Dieser entschied über das weitere Vorgehen und darüber, ob ein anderer Facharzt vonnöten war. Die dann notwendige Behandlung fand in der Praxis des jeweiligen Arztes statt. Sie wurde eingestellt, da nach der großen Flüchtlingswelle die Anzahl der Hilfesuchenden gesunken ist; 2017 waren es 16, im vergangenen Jahr 15.
Die Zahl erscheint vielleicht gering, doch liegt bei den meisten der Patienten eine „Riesenbaustelle“ vor, die eine Reihe von Nachbehandlungen nötig macht. Als Beispiel seien die Südosteuropäer genannt, die im Rahmen der Europäischen Union frei ihren Job suchen können, dabei aber leider oft an Firmen geraten, die sie unter äußerst dubiosen Bedingungen beschäftigen. Diese Menschen sind häufig nicht krankenversichert und suchen daher zumeist erst dann Hilfe, wenn es überhaupt nicht mehr geht.
Nach wie vor tätig
Seit Januar 2018 gibt es keine regelmäßige Sprechstunde mehr, was nicht heißt, dass die Behandlung eingestellt ist. Die Patienten kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen: alte und jüngere Menschen, die sich keine Krankenversicherung leisten können, Obdachlose, Asylbewerber und auch sich illegal hier Aufhaltende. Manche kommen auch nur, weil sie einfach das Gespräch suchen. Die Behandlung ist vertraulich, anonym und kostenfrei. Sollten rechtliche Probleme vorliegen, kann der Verein auf eine Anwältin zurückgreifen.
Laut Störzer besteht das größte Problem darin, dass die Leute, die Hilfe brauchen, schwer erreichbar sind. Darunter fallen Senioren, die aus Kostengründen keine Zeitung oder keinen Computer haben, oder auch Menschen, die die deutsche Sprache nur unzureichend oder gar nicht beherrschen. Daher ist der Verein auf Multiplikatoren angewiesen, wie Flyer und soziale Medien. Dort finden Hilfesuchende auch eine Telefonnummer (02871/2191585), unter der sie jederzeit einen Ansprechpartner finden, der dann die notwendigen Maßnahmen in die Wege leitet. – ah –