Der Bürgermeister hat ihn kürzlich als Rekordehrenamtler gelobt und ausgezeichnet. Ludger Visser kann irgendwie gar nicht anders: Das Singen, der Chor – sein Lebenselexier.
Im Hintergrund läuft Radio Paloma. „Ich mag einfach Musik“, sagt Ludger Visser. „Ich bin eigentlich immer am Singen.“ Das war schon so im Schulchor der Langenberg-Schule und bei den Sängerknaben von Liebfrauen. Mit 18 ist er gemeinsam mit einigen Kumpels zu den Sängern des Kolpingchores gestoßen – 60 Herren und eine bis 1865 zurückreichende Tradition. „Die haben uns aufgenommen als wenn wir schon immer dazugehört hätten“, sagt er. Das hat ihm imponiert. „Und wir durften gleich mitsingen.“
Lehrling war er damals, wurde unter den Fittichen seines Vaters Gerhard zum Sanitärmeister ausgebildet. Handwerk und Kolping – das gehörte geradezu zusammen. Und auch Handwerk und Singen. In der St. Georgskirche arbeitende Handwerksgesellen waren es, die den Bocholter Chor gründeten, noch bevor 1871 der Kolpingsverein als Gesellenverein entstand. Und in diesem Fall passte und passt es besonders, weil das Lied auf den Lippen einfach zu Ludger Vissers Naturell gehört. Möglicherweise hatten die Musen ihren Anteil daran, worauf die Tatsache hindeutet, dass sein Onkel Herbert viele Jahre lang die Spielschar der Kolpingsfamilie Bocholt-Zentral leitete und auch als Sänger aktiv war.
Gemeinschaft stärkt
Die Zugehörigkeit zu dem vierstimmigen Männerchor mit einem großen Repertoire an geistlichen wie auch weltlichen Chorwerken bedeutet Proben, Ständchen, Konzerte, Leistungsnachweise. Sie bedeutet Pättkestouren und Reisen, in deutsche Städte oder auch nach London oder Brüssel. Sie bedeutet Freundschaften mit anderen Chören. Und über alles bedeutet sie Gemeinschaft. 21 Jahre war Ludger Visser bereits Teil dieser Gemeinschaft, als er gefragt wurde und ja dazu sagte, sich als zweiter Vorsitzender um die Geschicke des Kolping-Chores zu kümmern. Sieben Jahre später wurde er erster Vorsitzender.
Organisation ist in diesem Fall stets ein ebenso zentraler wie komplexer Begriff, der für Alles und Jedes gilt, für Terminabsprachen, Veranstaltungen, Beschaffung und vieles mehr. Wenn man mit ihm über sein ehrenamtliches Engagement spricht, spürt man schnell, dass ihm eine zusätzliche, besonders nachhaltige Seite besonders viel bedeutet: der zwischenmenschliche Kontakt, die Zuwendung. „Das Chorsingen hat mir viel gebracht“, sagt er. „Eine bessere Aussprache und Atemtechnik, mich zu artikulieren“. Aber darüber hinaus auch, andere, unterschiedliche Menschen kennenzulernen, ihre Stärken und Schwächen, ihre Beweggründe und ihre Bedürfnisse.
Emotionale Momente
In all diesen Jahren hat er im Umgang mit anderen „enorm viel gelernt“. Zum Beispiel bei netten Reiseerlebnissen, beim geselligen Wurstaufholen, beim gemeinsam genossenen Applaus, bei der mehrfachen Auszeichnung als Meisterchor. Aber auch, als er und seine Sangesbrüder nach einjähriger Probenarbeit für die Erlangung dieses Prädikats unerwartet durchfielen. „Es gab schon einige emotionale Momente“, sagt Ludger Visser.
Einer davon, ein ganz besonderer, war für ihn jener, in dem er aufhörte, sein Ehrenamt niederlegte, weil „27 Jahre reichen“. Als der Chor ihn im vergangenen Jahr als Vorstandsmitglied verabschiedete, „habe ich geheult“. Das Wichtigste bleibt ihm: die Gemeinschaft. Für die hat er viel getan. Als er Vorsitzender war, hat er jedes Geburtstagskind angerufen und gemerkt, wie wichtig denen das war. Wenn es Jubilare zu ehren gab, hat er sich intensiv um deren Lebenslauf und Werdegang gekümmert und ist darauf eingegangen. Auch private Kontakte sind entstanden. Mit einem Chorfreund führt er jede Woche ein langes Telefonat – „auch über Fußball und vieles andere“.
Es schmerzt ihn, dass mit der Aufgabe und Umwandlung des Kolpinghauses nach wechselvoller Vergangenheit seit Ende des 19. Jahrhunderts quasi das kolpingfamiliäre Domizil verlorenging. Was aber wäre das Leben des mittlerweile 67-Jährigen ohne Gesang? Geprobt wird jetzt im Pfarrheim von St. Paul, weiterhin mit Ludger Visser im ersten Bass (Foto oben). Er singt auch in Zukunft etwa beim Josef-Schutzfest oder beim Kolpinggedenktag. Auch mit den „19-ern“, einer 13 Mann starken Besetzung aus dem Gesamtchor. Unter anderem bei familiären Anlässen und besonders gerne bei der Marktmusik in St. Georg. Das Singen gibt ihm Lebensfreude. Er teilt sie über Gemeinsinn und persönliches Engagement. So haben viele was davon. – jf –