Die Mitglieder der Bocholter Rettungshundestaffel e.V. bilden ihre Hunde unter großem zeitlichen Aufwand für den Einsatz bei der Suche nach vermissten Personen aus, und das alles ehrenamtlich.
In der Regel treffen sich die Hundeführer mit ihren Hunden zwei- bis dreimal die Woche zum intensiven Training. Dieses findet keineswegs auf einem eigens dafür vorgesehenen Hundetrainingsplatz statt, vielmehr mitten im öffentlichen Raum, wo vermisste Personen zu suchen sind. „Ein verwirrter Mensch kann sich irgendwohin verlaufen. Auch Suizidgefährdete kündigen selten an, wo sie zu finden sein könnten.“ Die Erklärung liefert mir Andreas Heiken, erster Vorsitzender des Vereins.
Also werden für das Training immer wieder neue Örtlichkeiten ausgewählt, deren GPS-Daten auch erst am Trainingstag per WhatsApp an die Teilnehmer verschickt werden. Alles soll möglichst realitätsnah gestaltet werden. An einem Abend habe ich die Gelegenheit, dem Training beizuwohnen, eingeladen für 19 Uhr per Handy-Nachricht.
Die Teams
Voller Erwartung bin ich schon sehr frühzeitig am Treffpunkt und kann so die Ankunft der einzelnen Teams – ein Team besteht aus dem Hundeführer und seinem Hund – beobachten. Die meisten kommen aus Bocholt und Umgebung, einige haben eine längere Anfahrt von Rees oder Haltern. Die Begrüßung ist äußerst freundschaftlich. „Na, hast du an Kaffee gedacht? Wird sicher wieder spät heute Abend.“ Claudia Storm, Ausbilderin und zweite Vorsitzende, zeigt auf ihre große Thermoskanne: „Klar doch!“
Die Hunde warten geduldig in ihren Boxen im Auto, sie werden nur nacheinander ihre Aufgabe bekommen. Neugierig schaue ich umher und bin erstaunt, Hunde der verschiedensten Rassen zu sehen. Da sind z.B. Chilli und Peaches, beide Australian Shepherds, Walker, ein Labrador, oder Farés, ein Petit Bleu de Gascogne. „Grundsätzlich ist jede Rasse zugelassen, die Ausbildung der Hunde dauert unterschiedlich lange, manchmal auch in Abhängigkeit von ihrer Rassezugehörigkeit. Das Alter spielt ebenfalls keine wesentliche Rolle.“ Andreas Heiken nimmt sich Zeit, mir die Aufgabe und Arbeit der Teams ausführlich zu erklären, deshalb hat er seine eigenen Hunde an diesem Abend zu Hause gelassen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbildung zum Rettungshund ist eine enge Verbundenheit zwischen Herrchen oder Frauchen und Hund. Denn nur ein gutes Team, vertraut und in Harmonie, kann optimal arbeiten. Jeder Hundeführer, jede Hundeführerin bildet den eigenen Hund unter fachkundiger Betreuung aus.
Spur legen
Zwei Mitglieder der Rettungsstaffel machen sich auf den Weg, um eine Spur zu legen. Das Training findet in einem Neubaugebiet mit vielen verwinkelten Straßen und Wegen statt. Die „vermisste Person“ – kurz VP genannt – wird an einem Punkt zurückgelassen, die Trainerin/der Trainer kehren zur Gruppe zurück. Dieses Vorgehen wird im Laufe des Abends mehrfach durchgeführt, immer wieder wird ein neuer Weg zu einem „Fundort“ ausgewählt. Wichtig ist, dass die Strecke nicht gradlinig zum Aufenthaltsort der VP gelegt wird, sondern z.B. Kreuzungen passiert, an denen der Suchhund sich später dann für die korrekte Richtung entscheiden muss.
Die Suche
Dirk Schimmack holt seinen Rüden Farés aus dem Auto und legt ihm schon einmal vorsorglich das Suchgeschirr an. Noch ist Farés am normalen Halsband befestigt, für ihn ein Zeichen, dass er ein wenig herumschnüffeln darf. Steffi Verstegge geleitet das Team zum Ausgangspunkt der Suche. „Dies ist in der Realität die Stelle, an der die abgängige Person zuletzt gesehen wurde bzw. sich aufgehalten hat“, erklärt Verstegge.
Der folgende Ablauf gleicht einem Ritual, das Farés verdeutlichen soll: jetzt beginnt die Arbeit. Die Leine wechselt vom Halsband zum Geschirr, Farés darf den Referenzgeruch aufnehmen – in diesem Fall durch ein Taschentuch der VP – und Schimmack gibt den Trailbefehl. Das ist ein Kommando, das jeder Hundeführer für seinen Hund selber festlegt, das auch nur bei der Suche und einmal am Anfang benutzt wird. Farés wirkt voll konzentriert, bewegt die Nase hin und her, zieht los.
Ich nehme an einer sogenannten „wissenden Suche“ teil, denn Verstegge hat nicht nur den Trail gelegt, sondern informiert Dirk Schimmack an schwierigen Stellen, wohin sein Hund ihn führen soll. Das ist ein wichtiger Teil der Ausbildung, denn Farés ist noch ein junger Hund, sein Herrchen muss ihn „lesen“ lernen. Bei der Suchaktion kann es passieren, dass der Hund eine falsche Richtung einschlägt, durch irgendetwas abgelenkt wird, das muss der Hundeführer erkennen und ihn wieder bis zu einer gesicherten Stelle zurückführen. Gesichert bedeutet, bis hierhin zeigte der Hund klar an: wir sind auf dem richtigen Weg!
Farés nimmt Fahrt auf, ihn kümmert keine Unwegsamkeit des Geländes, er scheint seinem Ziel nahe zu sein. Und tatsächlich – er hat Erfolg. Überschwänglich wird er von der gefundenen Person gelobt, bekommt ein ganz besonderes Leckerli – nur im Training eingesetzt – und kann zusätzlich eine kleine Runde spielen. Danach geht es zur wohlverdienten Ruhe. Übrigens wird ein Team immer von einem Suchhelfer begleitet, da der Hundeführer seinen Hund nicht aus den Augen lassen darf, dabei weder auf den Verkehr noch auf das Gelände achten kann.
Anforderungen
Diejenigen, die sich dazu entschließen, mit ihrem Hund die Ausbildung zu machen, sollten eine gesunde Konstitution mitbringen. Training heißt, bei Wind und Wetter und oft über Stunden unterwegs zu sein. Der Hund sollte lern- und spielfreudig sein, von daher ist es leichter, einen jungen Hund zu trainieren. Sehr kurznasige Hunde haben bisweilen mehr Probleme mit dem Verfolgen des adäquaten Geruchs.
Wichtig ist die Bereitschaft, viel Freizeit zu investieren, denn neben den regelmäßigen Trainingseinheiten werden Seminare besucht, Prüfungen vorbereitet und absolviert. Der Weg zum einsatzbereiten Suchhundeteam ist lang. Alle Befragten sind sich dennoch darin einig: Die Arbeit mit dem Hund, der Zusammenhalt unter den Mitgliedern macht Freude. Ziel eines jeden von ihnen ist es, vielleicht einmal helfen zu können, einen vermissten Menschen aufzufinden. – ah –