Handys zeigen Fotos und Filme, vermitteln Kontakte und Bestellungen. Mit ihnen wird gesucht und gefunden, geflirtet und gestalkt, geliked und gepöbelt. Ein spezielles Handy ist von all dem weit entfernt.
14 Jahre ist es her, dass vier Bocholterinnen und Bocholter es gemeinsam in Betrieb nahmen. Die Idee entstand in der Pfarrgemeinde Liebfrauen, als es um die Unterstützung der Pfarrcaritas ging. Der Küster hatte ein Tchibo-Handy, das er zur Verfügung stellte und das von da an das „Helfende Handy“ war. Im Pfarrbrief, auf Flyern und über die Medien wurde die Handy-Nummer verbreitet. Wer sie wählte, erreichte ein „Team von freiwillig Engagierten, die kostenlos und vorbehaltlos kleinere Hilfen im Haushalt anbieten“, wie es im Faltblatt der Pfarrei heißt. Bis heute gilt diese Nummer, bis heute hilft das Handy bzw. das Team.
Es klingelte munter – gleich von Beginn an. Die Wünsche der Anruferinnen und Anrufer waren ganz unterschiedlich. Manche waren körperlich nicht in der Lage, schwer zu tragen, andere suchten Begleitung beim Gang ins Rathaus oder zum Gottesdienst oder wollten mit jemandem reden. Unterstützung beim Einkauf oder eine Mitnahme im Auto etwa zur Bocholter Tafel sind unverändert gefragte Hilfen.
Lampen, Wasserhähne, Möbel
„Wir mussten erst einmal herausfinden, was wir leisten können und was nicht“, sagt Gertrud Becker, die seit dem ersten Handy-Klingeln dabei ist. Anfangs haben sich die engagierten Helferinnen und Helfer auch mal als Anstreicherinnen und Anstreicher versucht. „Da sind uns die Tapeten von den Wänden entgegengekommen.“ Aber mit der Zeit wuchs nicht nur die Gruppe auf acht Mitglieder, sondern auch das Know-how. Lampen aufhängen, tropfende Wasserhähne und Rolladenkästen reparieren oder Küchengeräte anschließen sind machbare Anforderungen. Auch beim Transport und Rücken von Möbeln oder beim Sperrmüll-an-die-Straße-Stellen packt das Handy-Team an, in dem Gertrud Becker mittlerweile die einzige Frau ist. Für zusätzliche Unterstützung sorgt ein erweiterter Kreis ehrenamtlicher Helfer.
Wer das „Helfende Handy“ anwählt, ist meist älter und alleinstehend, hat keine Verwandten in der Nähe und auch sonst keine Helferinnen oder Helfer. Und er oder sie hat nicht das Geld für kommerzielle Dienstleistungen. Das gilt auch für die jungen Familien und alleinerziehenden Mütter, die unter den Anruferinnen und Anrufern knapp ein Drittel ausmachen.
Die über die Jahre gesammelte Erfahrung ist wichtig, um Situationen und Möglichkeiten einschätzen zu können. Die Zusammenarbeit mit Einrichtungen wie Caritas oder SKF oder auch der Stadtverwaltung bewährt sich. „Wenn wir etwas nicht leisten können, suchen wir nach Leuten oder Organisationen, die das können“, sagt Gertrud Becker. Ihr und dem Handy-Team ist es wichtig, dass schnell geholfen wird und dass sie Erfolgsmeldungen erhalten. „Sonst hat man ja keine Ruhe.“ Das Handy-Modell funktioniert unter zwei Bedingungen: Die Hilfe darf nicht zum Dauerservice und das Handy-Team möchte nicht aus Bequemlichkeit und nach der Schnäppchen-Methode ausgenutzt werden.
Froh und dankbar
Die Einsätze der Handy-Helfer, die meisten von ihnen Rentner, sind oft nicht nur körperlich anstrengend, sondern auch in anderer Hinsicht belastend. Mitunter berichten sie danach von Wohnsituationen, die sie in Bocholt nicht für möglich gehalten hätten. Aber sie bleiben dabei – ehrenamtlich. Im Team stützen sie sich gegenseitig, sprechen sich ab, erörtern die Hilfsfälle. „Ich bin jedes Mal froh, wenn wir helfen konnten“, sagt Gertrud Becker. Die Betroffenen seien „oft sehr sehr dankbar“, packen auch mit an, und manche bewirten die Helfer oder schenken ihnen Pralinen. Fordernd auftretende Anruferinnen und Anrufer seien selten.
Das Handy, mit dem jedes der acht Teammitglieder jeweils vier Wochen lang Anrufe entgegennimmt, ist inzwischen ein anderes als zu Beginn. Wieder von Tchibo und noch immer kein Smartphone. Nur zum Telefonieren. Und zum Helfen. Natürlich gerne auch für alle, die mithelfen möchten. – jf