Wenn es darum geht, ehrenamtliche Aufgaben zu übernehmen, kann Leo Heßling nicht anders: Er greift zu. Außer beim Chorgesang (siehe Teil 1) auch bei der Schauspielkunst.
Angefangen hat alles mit einem Aufruf in der Zeitung, in dem Interessierte für eine Theatergruppe unter dem Stichwort „Altentheater“ gesucht wurden. Unterstützt durch die Initiative „Engagiert in Bocholt“ sowie Andrea Unland und Adi Lang vom Verein „Leben im Alter“ (L-i-A) konnte der Wunsch nach einem Theater für Senioren 2011 umgesetzt werden. Kaum gelesen, meldete Leo sich mit seiner Frau Margret an, waren sie doch beide begeisterte Theaterbesucher. Sich in Szene setzen – das war für Leo kein Problem, das hatte er in seinem Berufsleben immer wieder unter Beweis stellen müssen. Außerdem meinte er: „Das Theater, das wir zuhause haben, können wir auch auf die Bühne bringen.“ Und so kam Leo auf die Bühne.
Von der Alten Molkerei zum Rheder Roten Kreuz
Erster Organisator war Adi Lang, dem Leo mit seinem nicht endenden Tatendrang schon bald zur Hand ging. Geprobt wurde in der Alten Molkerei, in der auch die erste Aufführung stattfand. Leider konnte diese Räumlichkeit nicht beibehalten werden, genauso wenig wie der Drostesaal im Textilwerk, der auch die Kulisse für „Silverday“ lieferte. Mittlerweile hatte die Truppe einen neuen Namen. Sie nannte sich nun „Die Spätzünder“, inspiriert durch einen Fernsehfilm mit Jan-Josef Liefers. „Spätzünder ist doppeldeutig zu verstehen“, erläutert Leo. „Zum einen sind wir weitgehend ältere Menschen, zum anderen hat es eben erst später bei uns gezündet.“
Das Raumproblem blieb. Eine Zeitlang wurde in Räumlichkeiten der Jungfeuerwehr geprobt. Aber auch das war nur von kurzer Dauer. Durch seine Beziehungen zur Pfarrei St. Georg gelang es Leo, die „Spätzünder“ vorübergehend im Gemeindesaal der Pfarrei St. Norbert unterzubringen. Die dortigen Sanierungsarbeiten waren schließlich der Anlass für den Umzug in das Gebäude des Roten Kreuzes in Rhede.
Hauptrolle: Organisator
„Grüßt euch!“ So beginnt Leos Auftritt bei den Proben. Wie es sich für einen Mann der Bühne gehört, schmückt ein passender Schal seinen Hals. „Und das muss ich euch noch mitteilen“, sagt Leo dem versammelten Ensemble. Dabei wuselt er mit den Händen durch einen Stapel von Papieren, die vor ihm liegen. „Margret, ich habe die Zettel doch mitgenommen“, wendet er sich an seine Frau. Geduldig blättert diese die Blätter durch und zieht das Gesuchte heraus. Schon vor der Probe: Szenen einer Ehe.
Grundsätzlich wird erst dann die Probe eingeläutet, wenn Leo seine Informationen losgeworden ist. Dabei geht es meist um Organisatorisches. Leo kümmert sich um die Aufführungsrechte, besorgt die passende Anzahl von Fotokopien der Textbücher, verhandelt mit den Verantwortlichen der entsprechenden Bühnen, kümmert sich um Präsenz in der Öffentlichkeit, nimmt Kontakt zu Sponsoren auf – und, und, und. Ohne Leo gäbe es die „Spätzünder“ vermutlich nicht mehr.
Aber für etwas ist Leo nicht zuständig: die Regie. Zwar mischt er mit, wenn es darum geht, eine passende Leitung für die Regie zu finden, aber die Führung überlässt er „den fähigen Leuten“, wie er mit einem Schmunzeln anmerkt. Seit fünf Jahren arbeiten die Spätzünder unter der Leitung von Adriana Kocijan, einer Frau vom Fach.
Geiselnehmer, Hofnarr, Pfarrer
Leo übernimmt jede Rolle, wie auch immer sie geartet ist. In Silverday trat er mit einer Affenmaske als Geiselnehmer auf, Aschenputtel zeigte ihn als Hofnarr, er mimte den jugendlichen Liebhaber Mortimer in Arsen und Spitzenhäubchen, die berühmte Weihnachtsgeschichte präsentierte ihn als den jungen Neffen, und im neuen Stück Besuch der alten Dame ist er der Pfarrer. „Passt doch, das wollte und sollte ich ja ursprünglich auch werden“, sagt Leo zu seiner neuen Rolle.
Seit sieben Jahren spielt Leo auch gerne Müllmann – immer zwei Wochen im Frühjahr. Das hängt damit zusammen, dass verschiedene Mitglieder der „Spätzünder“ seit sieben Jahren als Umweltclowns vor den Vorschulkindern wechselnder Kindergärten auftreten, um Aufklärungsarbeit zu leisten. Eigens dafür hat Leo den Titelsong „Es gibt zuviel Müll auf der Welt“ komponiert. Knapp zwei Stunden trägt er das schwere Abbild eines Müllautos auf seinen Schultern. Hinterher ist er verschwitzt und erschöpft. In diesem Jahr stand der 50. Auftritt an.
Hauptakteur auch in anderen Rollen
Auch einem Pilotprojekt des Seniorenbüros der Stadt Bocholt, des AWO-Familienzentrums am Holunderweg und der L-i-A unter dem Motto „Jung und Alt in Bewegung“ konnte Leo seine Mithilfe nicht versagen. Dabei „turnten“ Kindergartenkinder, Großeltern und die „Spätzünder“-Clowns eifrig miteinander, Leo immer in vorderster Reihe.
Nicht zu vergessen die Auftritte im Weinkontor Kloster-Kraul. Unter dem Titel „Loriot bittet zu Tisch“ wurden bekannte Sketche des unvergesslichen Victor von Bülow aufgeführt, mit besonderer Genehmigung seiner Tochter Susanne von Bühlow. Auch hier war Leo wieder Hauptakteur: Rechte einholen, Aushandeln der Termine, Aussuchen der Texte, Moderation und Einsatz in verschiedenen Rollen. Im Titelfoto sieht man ihn in dem Sketch “Schmeckt`s?” Wegen der großen Nachfrage wurde eine neue Sketch-Reihe aufgelegt, mit neuen Sketchen, teils selbst zusammengestellt unter dem Namen „Lachen hält jung“, die nach Corona auch fortgesetzt werden soll.
Unter Einhaltung der Hygienevorschriften kann nun wieder geprobt werden, wenn auch starke Einschränkungen bezogen auf spielerische Umsetzungen bestehen. Die Aufführungstermine für den „Besuch der alten Dame“ sind anvisiert, und zwar für den 26. und 27. Juni in der Aula des St.-Josef-Gymnasiums. Leo ist sich sicher. „Wir Spätzünder schaffen das!“ Mit ihm und seinem Engagement und dem Einsatz der Spätzünder-Truppe ganz bestimmt.
– ah –