Kneipen und Restaurants sind dicht. Anlass zum Jammern? Anlass zum Handeln, sagen die Leute der Bocholter Coronahilfe. Sie haben sich wieder Neues einfallen lassen: Gastromio. Wer und was steckt dahinter?
Verhungern müssen wir zum Glück nicht, und wir können uns sogar weiterhin bekochen lassen: Die Gastronomen in Bocholt und Umgebung sorgen dafür. Sie bieten Speisen und Getränke außer Haus an. Um ihren Service zu unterstützen, der ihren Kunden nützt und ihnen dringend notwendige Einnahmen verschafft, entstand die Idee der Coronahilfe für eine große gemeinsame Speisekarte, die rund um die Uhr zeigt, was man wo und wie zu essen bekommt.
Nach der ersten Pandemie-Welle, als die Coronahilfe unter anderem Einkäufe erledigte und nach dem Start des erfolgreichen Programms „Kinder gegen Corona“ in Kooperation mit den Schulen war dies eine weitere neue Herausforderung für die Frauen und Männer, die sich zusammengetan haben, um ihre Hilfe anzubieten. Nicht um Geld zu verdienen, sondern um etwas für ihre Mitmenschen, für die Gemeinschaft zu tun. Unbezahlt, ehrenamtlich. Der Service kostet ihr Engagement und ihre Zeit – die Nutzer wie auch die Wirte kostet er nichts.
Grundrezept mit Nachwürzen
Schritt 1: Man öffnet das Portal im Internet unter http://www.gastromio.de.
Schritt 2: Man gibt den Namen eines bestimmten gastronomischen Anbieters ein oder man klickt auf „Alle anzeigen“ und erhält dann ein alphabetisch geordnetes Verzeichnis aller Anbieter, die im Moment (werden oben angezeigt) oder später und auch an den folgenden Tagen (werden unten angezeigt) geöffnet haben und Speis und Trank zum Abholen anbieten. Ändern bzw. erweitern kann man diese Voreinstellung mit einzelnen Klicks:
– Man kann das Angebot nach Ausrichtung der jeweiligen Speisekarte (von „gut bürgerlich“ bis länderspezifisch) sowie nach bestimmten Speisen eingrenzen.
– Man kann die Zeit wählen, zu der man ein Angebot nutzen möchte.
– Man kann die Anzeige ausschließlich auf diejenigen Anbieter reduzieren, die anliefern.
– Man kann sich alle verzeichneten Anbieter anzeigen lassen – auch die, die momentan nicht geöffnet haben. In dieser Ansicht erfährt man zu jedem Anbieter auch, ob man dort telefonisch und/oder online bestellen kann.
Schritt 3: Man klickt auf den ausgewählten Anbieter und erfährt dann, welche Speisen und Getränke er zu welchen Preisen anbietet. Per Klick auf den Namen des Gastronomiebetriebes erfährt man, wie man ihn kontaktieren kann. Bei Bedarf wiederholt man den Schritt 3, indem man andere Anbieter anklickt.
Schritt 4: Man bestellt das Gewünschte telefonisch oder online und holt es nach Möglichkeit und Vereinbarung ab oder lässt es anliefern. Bezahlt wird bei Aushändigung.
Marco hatte Urlaub, als die Pandemie zuschlug. „Es war halt gerade so eine Situation“, etwas tun zu können, wo etwas getan werden musste. Deshalb rief er bei der Coronahilfe an. Der 42-Jährige IT-Fachmann war genau der, den es angesichts des massiven Einschnitts für die Gastronomie brauchte. Er entwickelte einen Prototyp für ein lokales Angebot- und Nachfrage-Portal. Womit die Sache aber längst noch nicht gegessen war. Zum Beispiel nur mal die Annahme, dass eigentlich sämtliche Wirte in der Lage wären, sich mit ihren Kundinnen und Kunden per E-Mail zu verständigen. In Wirklichkeit war das vielleicht die Hälfte.
So ein bisschen war‘s wie beim Kochen: Dem Rezeptentwurf folgt das Probieren und bei Bedarf das Nachwürzen, das Abändern. In Jürgen fand Marco einen idealen „Abschmecker“, einen Tester für das, was in der Praxis von Gastromio geht und was nicht. Gut sechs Jahre lang hatten die beiden beruflich zusammengearbeitet und fanden sich nun gemeinsam in diesem ehrenamtlichen Projekt wieder.
Solch ein Projekt macht möglich, was es sonst nicht gibt, in diesem Fall die Kooperation der beiden Profis mit einem, der das Programmieren „hobbymäßig“ betreibt, wie er sagt. Luca ist 17 und Schüler des Berufskollegs am Wasserturm. Über Facebook ist er hinzugekommen und genießt es, dass er viel Neues lernt und „dass wir ein Team sind“, in dem sich alle gegenseitig ergänzen – er gemeinsam mit den beruflich erfahrenen „alten Hasen“, so dass sie sagen können: „Guck mal, was wir hier zusammen geschafft haben“.
Macherinnen und Macher
Die Wege ins Team sind unterschiedlich, mitunter zufällig, und manchmal führen sie um die ein oder andere Ecke. Frauke hat zu Beginn der Pandemie der Coronahilfe ihre Unterstützung angeboten. Beim Unterrichtskonzept Kinder gegen Corona an der Clemens-Dülmer-Schule, bei dem Kinder unter anderem über Tröpfcheninfektion aufgeklärt werden, war sie engagiert. Die Grundschüler wollten von ihr wissen, was sie beruflich macht, fanden das spannend und mussten das dann gleich der Projektkoordinatorin Anne erzählen. Und so kam Gastromio zu einer professionellen Webdesignerin. Er habe nicht so sehr den Blick für die optische Wirkung beim Nutzer, sagt Projektleiter Marco, und deshalb sei es toll, dass Frauke den Auftritt von Gastromio „hübsch“ mache.
Um das Quartett gruppieren sich weitere Macherinnen und Macher, die unter anderem in detaillierter Kleinarbeit Informationen der Wirte zusammentragen. Das machen zum Beispiel Steffi, Stephan, Gundi, Kira, Nadine und Hendrik. Auch vorhandenes Bildmaterial muss erfragt, gesammelt und für eine Veröffentlichung aufbereitet werden. Da kommt es gelegen, dass Maren mit dabei ist, die hauptberuflich eine Werbeagentur leitet.
„Das harmoniert ganz schön“, sagt Luca zur Zusammenarbeit. „Jeder weiß, was er zu tun hat.“ Die anderen in der Vierergruppe, die beruflich „Vorbelasteten“, machen die Erfahrung, dass man auch ohne vorgegebene Strukturen, ohne Hierarchien und trotz eines „etwas chaotischen Zeitmanagements“ zu guten Ergebnissen kommen kann. Das hat dann auch seinen speziellen Reiz. Sie liebe es, „spontane Sachen zu machen, bei denen man vorher nicht weiß, was dabei herauskommt“, sagt Frauke. Hier weiß sie es inzwischen: „Andere private Projekte waren noch nie so professionell“, stellt sie im Vergleich zu ihren bisherigen Engagements fest.
Der Erfolg und Lob für Gastromio (Anne: „Es gibt ein super Feedback“) tun gut und sind Ansporn. „Einfach Spaß“ mache die Sache, sagt Luca und dass er froh sei „über die Möglichkeit mitzuhelfen“. Das mit dem Team, das ihm so gut gefällt, ist so eine eigene Sache. Der berühmte Teamgeist sei schon vorhanden, sagt Marco, obwohl sie sich alle gemeinsam bislang ausschließlich virtuell begegnet sind. Das sei halt „das neue Anders“, sagt er. Nachdem er und die anderen dies alles im virtuellen Raum erzählt haben, gab es eine leibhaftige Premiere: Bei unserem Fototermin. Das Bild oben zeigt von rechts Jürgen, Marco, Luca, Frauke, Michael, Gundi, Steffi, Anne und Stephan. – jf –
⇒ Gastromio wird weiterentwickelt. Dafür sucht das Team immer auch ehrenamtliche Unterstützer mit Programmierkenntnissen zum Beispiel im Bereich C# und/oder Angular.