„Helfende Liebe muss gelebt werden, Worte allein genügen nicht.“ Dies ist der Leitsatz, an dem die fast 82-jährige Angelica Rems sich noch heute orientiert.
Als ich nach dem Interview mit Angelica Rems meine Unterlagen sichtete, wusste ich gar nicht so recht, wo ich anfangen sollte. Schon bei unserem Gespräch war mir klar geworden, dass ich für unser Treffen viel zu wenig Zeit eingeplant hatte. Sie hatte so viel zu erzählen, dass ich stundenlang hätte zuhören können. Die Liste ihrer ehrenamtlichen Engagements ist lang.
Viele Aufgaben entstammen dem kirchlichen Bereich: Mitwirkung im Pfarrgemeinderat von St. Georg – dreimal war sie Vorsitzende -; Betreuung ausländischer Priester, die in den hiesigen Gemeinden tätig waren oder sind und deren Begleitung ausländischer Priester bei Trauerbesuchen; Mitgliedschaft im Eine-Welt-Kreis; Aufbau einer Strickgruppe in Spork, die schon seit über 40 Jahren besteht; tatkräftige Mitarbeit im Kimbondo-Hospital, einem Zentrum für Kranke, Straßen- und Waisenkinder in Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo; und… – auf all ihre vielen Aktivitäten einzugehen würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.
Mitarbeit bei donum vitae
Angelica Rems gehörte im Jahr 2000 auch zu den Gründungsmitgliedern von donum vitae (lateinisch, heißt übersetzt ,Geschenk des Lebens‘) hier in Bocholt, eine staatlich anerkannte Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte und Familienplanung. Um zu verstehen, warum sie sich donum vitae angeschlossen hat, ist ein kurzer Blick auf die Entwicklung des gemeinnützigen Vereins nötig.
Vor der Gründung von donum vitae war die Schwangerschaftskonfliktberatung von der Caritas und dem Sozialdienst katholischer Frauen durchgeführt worden, unterstützt und mitgetragen von den deutschen Bischöfen, bis sie von oberster kirchlicher Stelle in Rom zum Ausstieg gezwungen wurden.
Mit dieser Entscheidung konnte sich Angelica Rems nicht anfreunden, denn „man soll mit beiden Füßen auf dem Boden stehen, auch wenn man zum Himmel guckt.“ Gern zitiert sie in diesem Zusammenhang auch den Politiker Hans Maier, um ihr eigenes Engagement zu begründen: „Wenn wir die Frauen nicht im Stich lassen wollten, also ohne christliche Lebenshilfe diese Krise durchzustehen, war es nur folgerichtig, donum vitae zu gründen.“
Eine Beratungsstelle für Bocholt
Als die damalige Bürgermeisterin Christel Feldhaar zu einer öffentlichen Diskussion um eine Beratungsstelle von donum vitae im Kreis Borken einlud, war es für Angelica Rems selbstverständlich, dass sie diesem Aufruf folgte. Mit einer Reihe von Gegenstimmen wurde der Aufbau einer Beratungsstelle unter der Schirmherrschaft von donum vitae beschlossen. Zu den ersten ehrenamtlichen Mitgliedern gehörten unter anderen Anne Ikemann, lange Jahre erste Vorsitzende, Reinhold Sprinz, Heinrich Kruse und Hildegard Schroer-Martini. Letztgenannte sowie Angelica Rems sind noch heute im Vorstand tätig.
Die Beratung basiert auf der Grundlage des christlichen Glaubensverständnisses, geht von der Würde eines jeden Lebewesens aus. Nach eigenen Angaben geht es in den Beratungsstellen darum, „sich für den Schutz des menschlichen Lebens, speziell den Schutz des Lebens ungeborener Kinder einzusetzen.“ Dies ist auch der Hintergrund, vor dem Angelica Rems ihre eigenen Aktivitäten und Initiativen versteht.
Kinder liegen ihr am Herzen
Als ehemalige Lehrerin und Rektorin liegen Kinder ihr besonders am Herzen. Sie möchte dazu beitragen, dass schwangeren Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen in eine für sie scheinbar ausweglose Situation gekommen sind, Hilfestellungen angeboten werden. Dazu stehen speziell ausgebildete hauptamtliche Beraterinnen zur Verfügung, die mit den Hilfesuchenden gemeinsam nach Lösungswegen suchen. Der Arbeitsbereich ist sehr umfangreich. Er umfasst nicht allein die Schwangerschaftskonfliktberatung, sondern unter anderem auch Beratungen im Umfeld von vertraulicher Geburt, bei unerfülltem Kinderwunsch, bei Fehl- und Totgeburten.
Da der Verein ausschließlich mildtätigen Zwecken dient, keine wirtschaftlichen Ziele verfolgt, hat der ehrenamtliche Vorstand die Aufgabe, für die Erfüllung der Vereinssatzung Sorge zu tragen. Die Vorstandsmitglieder sind auch die gesetzlichen Vertreter im Rechtsverkehr.
Gemeindearbeit
Von den Aufgaben eines Pfarrgemeindemitglieds sind Angelica Rems die vielen Trauerbesuche besonders im Gedächtnis haften geblieben. Es ist stets ein schwerer Gang zu den Angehörigen verstorbener Menschen. Sie kann zuhören, einfühlsame Worte des Trostes finden, auch einfach nur anwesend sein. Jedem, der es möchte, bietet sie sich als Gesprächspartnerin über den Kondolenzbesuch hinaus an.
Während ihrer beruflichen Tätigkeit als Rektorin in den Ortsteilen Holtwick, Hemden und Spork war ihr aufgefallen, dass für die älteren Frauen der jeweiligen Gemeinden kaum außerhäusliche Angebote bestanden. So kam sie mit zwei weiteren Frauen auf die Idee, eine Strickgruppe in Spork zu gründen, deren Teilnehmerinnen bei ihren regelmäßigen Treffen neben dem Stricken von Socken, Pullovern, Schals und Decken das Zusammensein genießen. Die fertigen Sachen werden zum Verkauf angeboten. Von dem Erlös wird teilweise neue Wolle gekauft. Das, was übrig bleibt, geht zum Hospital im Kongo oder an andere soziale Einrichtungen.
Kimbondo in Kinshasa
In den Häusern des Kimbondo-Hospitals leben heute einige hundert Kinder im Alter von null bis achtzehn Jahren. Das Hospital wurde vor 25 Jahren von der italienischen Kinderärztin Laura Perna für 20 Kinder gegründet. Jetzt hat der chilenische Priester und Arzt Hugo Rios die Leitung. Das dem Hospital angegliederte Casa Patrick liegt Angelica Rems besonders am Herzen. Kinder mit Handicaps oder schweren Behinderungen werden dort untergebracht. Für gut 100 Kinder stehen in der Regel nur zwei bis drei Pflegepersonen zur Verfügung, die sie mit den minimalsten Hilfsmitteln versorgen. Ein Eimer Wasser, ein Waschlappen und ein Handtuch müssen ausreichen, um 20 Kinder zu säubern. Plastiktüten und Stoffreste ersetzen Windeln, der Kopf muss geschoren werden, damit die Läuse keine Angriffsfläche finden. Für persönliche Zuwendungen bleibt kaum Zeit.
Dort hat Angelica Rems schon einige Male ein paar Wochen zugebracht, um tatkräftig mitzuhelfen. Sie sagt, dass immer wieder mal Leute kommen und eine gewisse Zeit das Personal vor Ort unterstützen. Auf meine Frage, wie sie die Bilder von Kimbondo verarbeite, antwortet sie: „Wenn ich meinen Glauben nicht hätte, könnte ich mein Leben so nicht führen.“
Auf das Kinderzentrum im Kongo ist Angelica Rems durch ein Treffen im Klausenhof gestoßen. Priesterseminaristen aus aller Welt kommen dort zusammen, um die deutsche Sprache zu erlernen. Ihre Begeisterung für die deutschen Philosophen geben sie oft als treibende Kraft an. Damit sie auch etwas von der deutschen Kultur kennenlernen, hat Angelica Rems mit Interessierten Städte im Umkreis von Bocholt besucht, auch zusammen mit ihnen gekocht. So kam es zu den ersten Kontakten zum Kongo.
Die Corona-Pandemie bremst den Wunsch aus, noch einmal in den Kongo zu fliegen. Aber trotz ihrer 82 Jahre ist Angelica Rems voller Zuversicht, dass sie es schaffen wird: „Mein Alter wird mich nicht davon abhalten können, wenn es wieder möglich sein wird.“ – ah –