Ein Besuch in der Kita mit einem tollen Buch und die kleinen Zuhörer damit begeistern – das ist für Vorlesepaten leider zurzeit nicht möglich. Aber sie hatten eine pfiffige Idee …
Seit Beginn der Corona-Pandemie kann das Vorleseprojekt in Kitas, Grundschulen und Senioreneinrichtungen nicht mehr durchgeführt werden, zum großen Bedauern aller Paten. Schließlich haben sie sich mit großem Engagement dieser ehrenamtlichen Aufgabe zugewandt und auch eine entsprechende Schulung durchlaufen. Zur Vorbereitung, die sich in erster Linie um das „Was und Wie“ des Vorlesens dreht, gehört auch das Angebot einer Präventionsschulung sowie die Beantragung eines erweiterten Führungszeugnisses. Zum Vorstellungsgespräch in den jeweiligen Einrichtungen werden die Vorlesepaten von einer der Betreuerinnen des Projekts begleitet. Vor Ort werden mit den Vorlesepaten klare Vereinbarungen getroffen, in denen der Ansprechpartner, die Einsatzzeit, die Auswahl und Anzahl der Kinder, die Räumlichkeit festgehalten werden. Die Vorlesepaten unterschreiben eine Schweigepflichtserklärung und bekommen einen Ausweis für die Stadtbücherei ausgehändigt. Dadurch wird der offizielle Charakter des Vorhabens unterstrichen.
Was ist möglich in diesen schwierigen Zeiten?
„Ungewöhnliche Umstände verlangen kreative Maßnahmen.“ Das ist die Meinung der Mitglieder des Organisationsteams. Ihnen liegt es sehr am Herzen, dass das Projekt nicht in Vergessenheit gerät. Da eine Fortsetzung vor Ort leider im Augenblick nach wie vor nicht möglich ist, hatte Birgit Tebroke von der Freiwilligen-Agentur eine tolle Idee. Zwei Vorlesepatinnen erklärten sich bereit, sie umzusetzen und Videos für Kindergartenkinder aufzunehmen, die anschließend online gestellt wurden. Der entsprechende Link wurde an die Kitas weitergeleitet mit der Bitte, diesen auch per E-Mail den Eltern zur Verfügung zu stellen.
Marlies Berntzen liest „Bist du krank, Berni Bär“ von Katja Reider & Wolfgang Slawski, und das Buch „Winnie Alles Gute zum Geburtstag, Mama!“ von Valerie Gorbatschow wird von Manuela Raab vorgetragen. Die Vorleserinnen waren anfangs ein wenig aufgeregt, schließlich lesen sie nicht jeden Tag vor laufender Kamera laut vor. Beiden Lesepatinnen fehlte zunächst die Resonanz, die beim direkten Kontakt mit den Kindern das Vorlesen bereichert. So stellen Kinder Zwischenfragen, erkunden die Bilder, zeigen ihr Miterleben. „Das alles muss jetzt in unserem Kopf ablaufen“ – darin waren sich Marlis Berntzen und Manuela Raab einig. „Dann wird das Vorlesen lebendig.“ Die Videos sind gelungen, wie die Anzahl der Klicks und die Rückmeldung einzelner Elternmeinungen unterstreichen. Beide Vorlesepatinnen hatten viel Spaß an dem Projekt und freuen sich schon jetzt auf neue Aufnahmen, die bereits in Planung sind.
Jörg Geuting von der L-i-A hat die Videos aufgearbeitet und ins Netz gestellt. Die Links dazu können in den Kitas, die Lesepaten in ihrem Programm haben, erfragt werden. Ebenso gibt Agnes Wellkamp diese telefonisch (02871 21765-655) oder per E-Mail (awellkamp@l-i-a.de) an Interessierte weiter.
Wie kann die Motivation gestärkt werden?
Weder der Einsatz als Vorlesepaten noch der persönliche Austausch und die Weiterbildung sind – wie schon oben erwähnt – bislang wieder möglich. Aber dennoch sollte das ehrenamtliche Engagement nicht in Vergessenheit geraten. Eine Zoom-Videokonferenz, zu der das Organisationsteam des Netzwerkes alle Beteiligten eingeladen hatte, ließ die Lust am Vorlesen wieder richtig lebendig werden. Im ersten Teil des Meetings begeisterte die Geschichtenerzählerin Ruth Sondermann mit ihrer Geschichte „Auf der Suche nach dem Glück“ und gab anschließend hilfreiche Tipps, wie kleine und große Zuhörer*innen in den Bann einer Erzählung gezogen werden können. Der zweite Teil des Zoom-Treffens war für Fragen geöffnet, und die Teilnehmer konnten eine Reihe von Anregungen für den hoffentlich baldigen Einsatz mitnehmen.
Wie fing das Vorleseprojekt an?
Im Jahr 2017 haben sich Mitglieder des Pfarreirates der Gemeinde Liebfrauen mit der Frage auseinandergesetzt, was verschiedene Generationen miteinander und füreinander ehrenamtlich tun können. Dabei ist die Idee entstanden, Interessierte anzusprechen, die Kindern in Kindertagesstätten oder Grundschulen in kleinen Gruppen altersgerechte Geschichten vorlesen möchten. Das könnte die enorme Arbeit der Erzieher*innen unterstützen. Elisabeth Weiß vom Gemeinderat Liebfrauen erklärt: „Bei nicht wenigen Kindern ist ein hohes Defizit festzustellen, das spätestens in der Schule zu nicht unerheblichen Problemen führt. Dies betrifft deutsche Kinder und Kinder ausländischer Herkunft gleichermaßen.“ Studien der letzten Jahre durch die Stiftung Lesen zeigen, dass in knapp einem Drittel der Familien mit Kindern zwischen zwei und acht Jahren selten oder gar nicht vorgelesen wird. Dazu werden „beim Zuhören die Kinder in der Ausbildung der Konzentrationsfähigkeit und der Erweiterung des Wortschatzes unterstützt. […] Zusätzlich wird deren Fantasie angeregt, wenn sie beim Zuhören innere Bilder entwickeln, die sie auf vielfältige Weise auch zum Ausdruck bringen können. Und schließlich haben Kinder beim Anhören der Geschichten ganz einfach Spaß und können sich entspannen.“
Angefangen hat das Vorleseprojekt in den Kindergärten der Liebfrauengemeinde. Nach und nach wurde es zunächst auf andere Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft ausgeweitet. Mittlerweile sind unter anderem der Verein L-i-A, die Stadtbibliothek sowie die Freiwilligen- Agentur aktiv an dem Projekt beteiligt. Die FABI hat den organisatorischen Part übernommen und bietet Schulungen an. Dadurch hat sich der Kreis der beteiligten Kindergärten und Grundschulen ausgedehnt. Auch Senioreneinrichtungen sind einbezogen. Das Vorleseprojekt ist eine emotionale Bereicherung für alle Beteiligten. – ah –