Beim Umzug nach Bocholt entschied sich Grit Junk, als Lesepatin tätig zu sein. In ihren Augen bilden Jung und Alt bei der Beschäftigung mit Büchern eine einzigartige Symbiose.
„Kinder sind wunderbar, sie sind so herrlich ehrlich.“ Diese Aussage fasst mit wenigen Worten die Begeisterung zusammen, die bei dem Interview mit Grit Junk, Lesepatin der Kindertagesstätte „Wildwiese“, aus all ihren Antworten zu spüren ist. Ihre Augen strahlen, während sie von ihren Erlebnissen und Erfahrungen mit den Kindern in der Vorlesestunde erzählt.
Nur nicht untätig sein
Vor gut drei Jahren zog Grit Junk aus familiären Gründen vom Ruhrgebiet nach Bocholt. Obwohl nahe der 80, wollte sie die Hände nicht in den Schoß legen. Bei einer Beratung in der Freiwilligen-Agentur stieß sie auf das Projekt „Lesepaten“. Schon bald fiel die Entscheidung: Ich werde mich als Vorleserin versuchen. Auf einem eintägigen Praxisseminar im April 2018 wurden Anhaltspunkte zur Orientierung vermittelt. Der Workshop setzte sich unter anderem mit folgenden Fragen auseinander: „Warum ist Vorlesen/Erzählen wichtig? Welche Bücher oder Texte eignen sich dafür? Wie gestalte ich eine interessante Vorlesestunde? Wie reagiere ich auf Störungen?“
Beginn einer wunderbaren Beziehung
Mit dieser guten Vorbereitung besucht Grit Junk nun seit Ende Mai 2018 alle zwei Wochen den Kindergarten, um dort vorzulesen. Zusammen mit der Leiterin, Alexandra Hüwe, sucht sie die Bücher aus, die sie mit den Kindern ansehen möchte. Entweder bestimmt die Jahreszeit das Thema oder auch das spezielle Interesse der Kinder. Manchmal nehme sie die aktuelle Lektüre mit nach Hause, um damit vertraut zu werden und ein wenig zu üben, schmunzelt Grit Junk. Zwischen zwei bis zu sechs Kinder sitzen um „Oma Grit“, wie sie von ihnen liebevoll genannt wird. Während des Lesens bestimmen die kleinen Zuhörer das Tempo und die Richtung, stellen Fragen und erzählen aus ihrer eigenen Erlebniswelt. „Das ist schon erstaunlich, was die Kinder teilweise wissen und kennen“, schwärmt die Vorlesepatin.
Wird das eine oder andere Kind während des Vorlesens unruhig, erkundigt sich „Oma Grit“ ganz liebevoll nach der Ursache. Und selbstverständlich kann jedes Kind, wenn es nicht mehr stillsitzen oder zuhören mag, den Raum verlassen und in einen der Gruppenräume gehen. Doch das geschieht offensichtlich äußerst selten, die Kinder genießen den Umgang mit den Büchern.
Unterstützung des Kita-Teams
Aber nicht nur sie sind begeistert, auch die Erzieherinnen der Kindertagesstätte empfinden den regelmäßigen Vorlesebesuch als Bereicherung. Während sie selber beim Vorlesen von Büchern zumeist einen Erziehungsauftrag im Hinterkopf haben, kann Grit Junk völlig frei davon agieren. Manchmal bietet schon das Betrachten eines Bildes genügend Anlass, um mit den Kindern ins Erzählen zu kommen. Ganz anders als in früheren Zeiten haben viele Kinder keine Großeltern mehr vor Ort, da sich die berufliche Situation der Eltern im Laufe der Jahrzehnte gewaltig geändert hat. Hinzu kommen die Kinder mit Migrationshintergrund, deren Omas und Opas oftmals in den Heimatländern zurückgeblieben sind. Daher sind die Kinder glücklich, wenn „Oma Grit“ Zeit für sie hat.
Am Ende eines Vorlesenachmittags setzen sich Frau Hüwe und Frau Junk zusammen, um sich auszutauschen. Im Laufe der Monate ist daraus ein sehr vertrautes Verhältnis entstanden, das beiden Seiten viel gibt. „Ich ziehe den Hut vor der Arbeit der Erzieherinnen, die nur durch großes Engagement möglich ist“, sagt Grit Junk. Und Alexandra Hüwe freut sich über den unkonventionellen und offenen Umgang ihrer Vorlesepatin. Beide sind sich einig, dass dieses Projekt eine Bereicherung für alle Beteiligten ist. – ah –