Die Kümmerer im Quartier Fildeken-Rosenberg – vor fünf Jahren haben wir sie besucht. Höchste Zeit, mal wieder vorbeizuschauen. Was hat sich dort getan? Eine Menge!

Bei schönem Wetter: Treffen und frühstücken auch mal draußen vor der Tür. Foto: Tür an Tür e.V.
An der Mainstraße wirkt es ziemlich öd und leer zwischen den Parkflächen, an denen die Gräser ins Kraut schießen, und den hohen Mehrfamilienhäusern, in die sich die Menschen aus der Sommerhitze zurückziehen. Hinter einer Tür im Haus Nummer 81, etwas versteckt, findet man Schatten – und davon, im übertragenen Sinne, doch zugleich das genaue Gegenteil: eine Wohnung, die irgendwie anders ist, mehr ist, ein einladender, vielfältiger kleiner Ort. Hier ist ein Treffpunkt für alle, die drumherum wohnen. Zum Frühstücken, Kaffeetrinken, Basteln, Malen, Nähen oder Kochen. Und zum Quatschen.
Nach den Anfängen der Quartiersaktivitäten an der Saarstraße ist dies nun der Quartierstreff. Vor zweieinhalb Jahren entstand der Verein Tür an Tür, der das Engagement des Vereins Leben im Alter (L-i-A) im Quartier Fildeken-Rosenberg seither fortsetzt. Julia Nakotte (Foto oben, rechts) hat ihn gemeinsam mit einem kleinen Team gegründet. Die Sozialpädagogin ist als Quartiersmanagerin ebenso wie ihre Kollegin Jasmin Kruppa-Maaß Angestellte des Vereins, der im Auftrag der Stadt Bocholt im Rahmen der städtischen Quartiersentwicklung tätig ist. Die Mitglieder des Vereinsvorstandes mit den Erzieherinnen Nathalie Moschall und Kathrin Jamin als Vorsitzenden sowie dem Lehrer Christopher Hellmuth als Schatzmeister engagieren sich ebenso wie die weiteren Vereinsmitglieder ehrenamtlich.
Einladend

Wohnlich, mit vielen Angeboten und Details: der Quartierstreff. Fotos (2): jf
Engagement ist hier das Hauptwort, und dessen Inhalt spürt man vielfach. An der Einrichtung der Wohnung mit Küche, Arbeitsflächen, Kinderzimmer und mancherlei Details wie etwa dem Sparkasten des Sparclubs oder dem Regal mit den persönlichen Trinkbechern. Willkommensatmosphäre – so ließe sich das alles zusammen beschreiben, und Julia Nakotte ist als Einrichterin und Betreuerin mit Herzblut der lebendige Beweis dafür. „Niederschwellig und nicht behördenmäßig“ lautet ihr Grundsatz. Begegnung auf Augenhöhe nennt sie als wesentliches Kriterium für ihren Einsatz. Freundlichkeit, Offenheit, Unkompliziertheit und Humor lassen sich hinzufügen. Die Menschen im Quartier sehen sie, wie sie vermutet, als „die Nachbarin, die mehr Zeit hat als andere.“
„Tür an Tür“ ist ein bemerkenswertes Beispiel unter anderem für die Zusammenarbeit von beruflich und ehrenamtlich Engagierten. Das gilt für die Kooperation der beiden Sozialarbeiterinnen mit dem Vorstand ebenso wie mit den Menschen, die sich bei der Quartiersarbeit zusätzlich ehrenamtlich einbringen. Für das gewachsene, umfangreiche Angebot mit Radtouren, interkulturellem Kochen, Workshops, Karneval- oder Halloween-Veranstaltungen, Quartiers-, Familien- und anderen Festen gibt es viel zu organisieren und natürlich auch mit anzupacken. All diese Mitmachmöglichkeiten sind für Begegnung und unbeschwertes Miteinander von Bedeutung, doch es braucht auch individuelles Kümmern. Das leisten neben den Sozialarbeiterinnen auch Sprachpaten oder Leute wie Christina Seier (Foto oben, links). Sie hilft Menschen, die mit formalen Anforderungen zur Organisation ihres Alltags überfordert sind, wie etwa bei der Beantragung von Grundsicherung. Das kriegt man auch mit Google und Youtube nicht unbedingt hin. Einsamkeit, Hilf- und Orientierungslosigkeit nehmen zu und machen Quartiersarbeit umso wichtiger.
Vertrauen und lernen
Anfangs treffe sie auf eine gewisse Zurückhaltung, sagt Christina Seier. Es gehört Vertrauen dazu, jemanden in private Dinge einzuweihen. „Aber wenn es läuft, dann läuft es.“ Dann entsteht Vertrauen. Zumal wenn sich Erfolge zeigen. „Das ist auch für mich total befriedigend“, so Christina Seier, die bereits mit 15 Jahren als Begleiterin bei Ferienspielen und auch danach ehrenamtlich aktiv war. „Man baut Berührungsängste ab und lernt viel Neues“, sagt sie über positive Effekte ihres Engagements.
Für diejenigen, um die sie und die anderen Engagierten im Quartier sich kümmern, geht es nicht um die bloße Inanspruchnahme von Hilfsleistungen, sondern auch um Nachhaltigkeit, um Lerneffekte und mehr Selbstständigkeit. Entstehende Kontakte bedeuten persönlichen Gewinn und Verpflichtung gegenüber anderen zugleich. Wenn das im Quartier wächst, ist das letztlich das Gesamtziel des Miteinanders, der zugewandten Nachbarschaft quasi von Tür zu Tür. Das hat sich offenbar positiv entwickelt. „Wenn ich jemanden für irgendwas brauche, zum Beispiel zum Dolmetschen, kann ich telefonieren, und dann klappt das“, sagt Julia Nakotte. Weitere sich ehrenamtlich im Quartier engagierende Menschen seien aber herzlich willkommen – etwa als Sprachpaten (Vermittlung von Alltagsdeutsch), zur Unterstützung im Quartierstreff oder bei Veranstaltungen. – jf –