Schon 85 und noch immer nicht zu müde, jungen Amerikanern Deutschland und die deutsche Kultur nahe zu bringen.
Jedes Frühjahr bringt Elsa Nicolovius, ehemals Lehrerin an der Canton High School im Staat Massachusetts, durchschnittlich 20 Schülerinnen und Schüler der Abschlussklasse nach Bocholt – und das ohne Unterbrechung seit 41 Jahren. Im Jahr 1978 begann der Austausch zwischen der Canton High School und dem St.-Georg-Gymnasium. Seitdem haben etwa 800 amerikanische Jugendliche und sogar knapp 900 junge Bocholter das jeweils andere Land für drei Wochen kennenlernen dürfen. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich viele Freundschaften gebildet, die bis heute andauern.
Auf die Frage, wieso sie sich immer noch der Strapaze einer solchen Reise mit jungen Leuten unterziehe – und das vor allem ehrenamtlich – antwortet Elsa Nicolovius mit einem Lächeln: „Der Austausch bietet mir die Möglichkeit, die beiden Hälften meines Lebens miteinander zu verbinden. Seit meiner Heirat bin ich Amerikanerin, aber ich bin in Deutschland geboren und habe dort meine Jugendjahre verbracht. An der Canton High School habe ich Deutsch unterrichtet, und wie kann man das Gefühl für eine Sprache besser vermitteln als im Mutterland derselben?“
Bocholt – genau die richtige Stadt
Nachdem Elsa Nicolovius 1977 den Deutschunterricht in Canton initiiert hatte, tauchte schon bald von Schülerseite die Frage auf, ob sie nicht auch nach Deutschland fahren könnten, um mehr von der Sprache und insbesondere auch den Menschen dort zu erfahren. Das Goethe-Institut in Boston vermittelte Schulen in ganz Deutschland, die an Austauschprogrammen mit amerikanischen Schulen interessiert waren, und davon gab es mehr als genug. Im Angebot standen Städte wie München oder Bremen, aber eben auch Bocholt. Elsa Nicolovius entschied sich für Bocholt, weil die Struktur der Stadt der von Canton ähnlich zu sein schien. Sie hat die richtige Wahl getroffen, denn bei jedem Besuch äußert sie: „Es ist, als wäre ich erst letzte Woche hier gewesen.“
Es ging ihr nie darum, eine touristische Reise anzubieten, vielmehr sollten die jungen Leute Lebensart und Kultur in Deutschland kennenlernen. Das kann am besten im Zusammenleben innerhalb einer Familie vermittelt werden. Nach Elsa Nicolovius haben sie so die Möglichkeit zu erfahren, dass viele westliche Länder ähnliche Probleme haben, sie aber bisweilen unterschiedlich lösen. Vielleicht kann dann die Erkenntnis dafür wachsen, dass der eigene Weg nicht immer der richtige oder beste ist. „Hätten mehr junge Menschen die Gelegenheit fremde Orte zu besuchen und andere Dinge zu sehen, wäre das gut für die ganze Welt.“
Dank den vielen Bocholter Familien
Ohne die Bereitschaft der Eltern, die jungen Amerikaner bei sich aufzunehmen und ihnen für drei Wochen ein Zuhause zu bieten, wäre der Austausch nicht möglich. In Canton verkörpert Elsa Nicolovius Deutschland und damit Bocholt. Sie hat – zumindest für Canton – in starkem Maße dazu beigetragen, dass sich das Bild der Amerikaner von den Deutschen zum Positiven geändert hat. Ihrer Meinung nach kann jemand, der in Deutschland aufgewachsen ist, anderen das Land ganz anders näher bringen als ein Fremder.
Beim 20. Austausch wurde Elsa Nicolovius vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog das Bundesverdienstkreuz am Band verliehen. Zum vierzigsten Besuch in Bocholt überbrachte die Stellvertretende Bürgermeisterin Elisabeth Kroesen im Rahmen einer Feierstunde Glückwünsche der Stadt und Grußworte des Ministerpräsidenten des Landes NRW, Armin Laschet. In diesem Zusammenhang bedankte sie sich bei allen Bocholter Bürgern, die durch ihr Mitwirken seit Jahrzehnten diesen Austausch unterstützen, der als einziger, hier wie in den USA, ohne Unterbrechung Jahr für Jahr stattfindet. – ah –