Um ein Ehrenamt geht es hier diesmal nicht. Aber gleichwohl um einen Bocholter, der seine Leidenschaft nicht nur für sich pflegt, sondern sich zugleich für eine gute Sache engagiert.
Ein Anruf in der Freiwilligen-Agentur brachte uns auf die Spur von Heinz Niehaus, dem „Tomatenkönig von Bocholt“ und „Kräuterexperten“, wie er in dem Telefongespräch von Volker Stein, einem seiner Bekannten, benannt wurde. Wir müssten uns unbedingt in dessen Kräutergarten umsehen, sagte er. Sein Garten liefere etwa zehn Prozent des Spendenaufkommens für die Hospiz-Initiative Omega. Das ließ uns aufhorchen. Also fuhren wir nach Mussum, in die Sachsenstraße.
Ein schlichtes Hinweisschild „Eingang“ führt zu dem 1600 Quadratmeter großen Areal, das zwischen zwei Geschäftsgebäuden des Einrichtungshauses Niehaus liegt. Ich mache mich auf die Suche nach dem Gartenbesitzer, den ich bei seiner täglich notwendigen Arbeit, dem Gießen, antreffe. Etwa zwei bis drei Stunden, je nach Witterungsverhältnissen, nimmt das Bewässern aller Pflanzen in Anspruch, erklärt Heinz Niehaus auf meine Frage.
Niehaus‘ beruflicher Werdegang hatte nichts mit Gärtnern zu tun, vielmehr mit Autos und Möbeln. Er sagt, dass Garten „nicht sein Ding“ gewesen sei, bis er 2008 auf einer Reise mit seinen Enkelkindern zum Bodensee sozusagen mit der Nase darauf gestoßen wurde. Ein Besuch der Insel Mainau rief sein Interesse an Kräutern wach, das durch die Besichtigung des einzigartigen Duft- und Kräuter-Schaugartens in Hilzingen noch verstärkt wurde. Auf gut 6000 Quadratmetern sind dort weit über 500 verschiedene Duft-, Würz- und Heilkräuter zu finden, auch Gewürzraritäten aus aller Welt.
Die Idee, einen eigenen Kräutergarten zu schaffen, war geboren. Seitens des Elternhauses seiner Ehefrau war ein großes Stück Land vorhanden, das umgewandelt werden konnte. Durch den Besuch verschiedener Kräutergärten und Gespräche mit deren Betreibern eignete sich Heinz Niehaus ein großes Grundwissen an, das er schon bald umzusetzen verstand. Emsig säte und pikierte er, topfte ein und um. Mit etwa 450 Kräutern fing der heute 77-Jährige an.
Eine Idee entwickelt sich
Mit seiner Leidenschaft für Kräuter und Pflanzen war er nicht alleine. Mit Freunden, die sich regelmäßig im „Mussumer Krug“ trafen, wurde gefachsimpelt. Bei einer dieser Zusammenkünfte entwickelte er, zusammen mit Georg Telaar, die Idee, den überschüssigen Erlös aus dem Verkauf seiner Angebote für einen guten Zweck zu spenden. Telaar stellte schon seit längerem unentgeltlich Blumen zur Verfügung, und die Einnahmen aus dem Verkauf kamen der Hospizarbeit zugute. Heinz Niehaus nahm Kontakt mit dem Omega-Hospizdienst auf, dessen Leistung er ganz besonders würdigt. Seither sind viele Tausend Euro, die aus dem Garten von Heinz Niehaus erwuchsen, bei Omega eingegangen. „Alles, was übrig bleibt, landet bei Omega“, sagt der Kräuterexperte stolz. „Das können durchaus 8000 bis 11 000 Euro im Jahr sein.“
In diesem Zusammenhang berichtet er von einer kleinen Begebenheit aus den letzten Tagen: Zwei neunjährige Jungen kamen, um ganz gezielt ein paar Pflanzen einzukaufen. Schnell waren die gesuchten Gewächse gefunden und der Preis erfragt. Als es um die Bezahlung ging, überreichte jeder der Jungen zusätzlich fünf Euro, die Heinz Niehaus als zuviel zurückwies. „Die fünf Euro sind für einen guten Zweck, Sie machen das hier alles ja auch für einen guten Zweck“, war die Antwort der beiden. Das habe ihn sehr gerührt, sagt Heinz Niehaus.
Cola-Würze und andere Spezialitäten
Im hinteren Teil des riesigen Gartenanwesens sind immer noch die Anfänge, nämlich der wunderschöne große Kräutergarten erkennbar. Er habe sehr viele Heilpflanzen gezüchtet, doch sei ihm der Aufwand, deren genaue Wirksamkeit zu hinterfragen und entsprechend weitergeben zu können, zu mühsam, sagt Heinz Niehaus. Auch sorge er sich, falsche Informationen zu liefern. So hat er die Zahl der Kräuter reduziert – auf das, was gefragt ist. Darunter finden sich auch Kräuter, die ich bislang nicht einmal namentlich, geschweige denn geschmacklich kannte. Das „Colakraut“ zum Beispiel riecht tatsächlich nach Cola und verleiht der Speise eine leichte Cola-Würze. Da auch immer mehr junge Leute ihre Begeisterung für das Kochen, insbesondere das Grillen entwickelt haben, hat Heinz Niehaus spezielle Barbecue-Kräutertöpfe zusammengestellt.
Eine weitere kleine Geschichte aus seiner reichen Anekdoten-Sammlung: Junge Männer aus der Nachbarschaft benötigten ein besonderes Gewürz für einen Grillwettbewerb, der wohl jedes Jahr am Nürburgring stattfindet. Niehaus empfahl die „Winter-Heckenzwiebel“, die Ähnlichkeit mit Lauch aufweist, aber nicht blatt- sondern röhrenförmig wächst. Das Spezielle dieser Zwiebel ist ihr Knoblauchgehalt, der bei einer frischen Pflanze durch sanftes Drücken austritt und auf das Grillgut geträufelt werden kann. Die Stängel können darüber hinaus kleingeschnitten und dazu serviert werden. Anders als bei richtigem Knoblauch bleibt es nur beim Geschmack und macht sich kein Knoblauch-Geruch durch alle Poren im Nachhinein bemerkbar. Die jungen Männer hatten derartigen Erfolg, dass sie den dritten Preis gewannen und Zulauf von vielen anderen Teilnehmern bekamen.
Spitzenkoch kommt regelmäßig
Eine große Leidenschaft liegt offensichtlich in der Züchtung von Tomaten. Er habe von mindestens 500 Sorten die Samen gesammelt und aufbewahrt, sagt Heinz Niehaus. Von vielen Sorten kann er Fotos zeigen, ihre Besonderheiten sind aufgezeichnet. Mario Kalweit, der Spitzenkoch, der für „daheim+unterwegs“ Rezepte und Tipps präsentiert, holt regelmäßig, quasi als „Tomatenzüchter-Lehrling“, Samen, Setzlinge oder Pflanzen aus dem Garten von Heinz Niehaus.
Beim Betrachten der Gewächshäuser, die Niehaus-Sohn Sven errichtet, fällt die Sorgfalt auf, die hier den Pflanzen zukommt. Dazu gehören genaue Abstände, damit die Setzlinge und später die ausgewachsenen Pflanzen genügend Luft zum Atmen haben. Heinz Niehaus liebt seine Pflanzen, auch die, die vom Aussehen nicht unbedingt dem erwarteten Standard entsprechen. Bei ihm hat jede Pflanze ihre Wachstumsberechtigung. Seine Devise lautet: „Mal sehen, was sich entwickelt“.
Heinz Niehaus steckt enorm viel Freizeit in seine Gartenanlage. Seine gesamte Familie unterstützt ihn. Ein großer Dank gilt auch Ferdy Karwinkel, der fast täglich vorbeikommt und zupackt, wo gerade Hilfe notwendig ist. Die Gelegenheit dazu ist reichhaltig. Unter anderem gibt es Chilli, Peperoni, Paprika, Gurken, Auberginen. Eine neue Kreation sind die großen Töpfe mit „Tomtato“, die vor dem Eingangsbereich des großen Zeltes stehen. In der Tiefe sind Kartoffelpflanzen verborgen, darüber wachsen Tomaten.
Großes Ziel
Die Bocholter Hospiz-Stiftung Omega wird am bisherigen Standort der Herz-Jesu-Kirche ein neues Hospiz mit acht bis zehn Plätzen errichten. Der Traum von Heinz Niehaus ist, für diesen Neubau so viele Spenden sammeln zu können, dass er die Eingangstür stiften kann.
Auch deshalb kann man seinen Kräutergarten besuchen. Das lohnt allemal, Heinz Niehaus führt seine Besucher gerne herum und weiß Vieles zu erzählen. – ah –