Wir vermitteln auch Freude – zum Beispiel für Mutter und Tochter Hiller.
Die Bocholter Freiwilligen-Agentur vermittelt Freiwillige – Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Ihre Räume an der Langenbergstraße, mitten in der Stadt, sind zu einer Anlaufstelle und zu einem Treffpunkt geworden, an dem indes noch viel mehr passiert. Wie zum Beispiel die folgende kleine, feine Begebenheit zeigt.
Eigentlich hat diese Geschichte viele Anfänge. Beginnen wir damit, dass Frauke Hiller sich in Ahaus hinsetzte und eine E-Mail schrieb. Da war sie einigermaßen verzweifelt, hatte im Internet gesucht, die Seite „Wir für Bocholt“ gefunden und hoffte nun, darüber eine Lösung zu finden. Dazu muss man wissen, dass sie aus Leidenschaft handelte. Gemeinsam mit ihrer 13-jährigen Tochter Pauline ist sie begeisterte Sammlerin. Nicht einfach so. Nicht Abziehbilder oder Postkarten, sondern für einen guten Zweck. Kunststoff sammeln die beiden, Deckel von Wasser-, Cola-, Limonade- und anderen Flaschen. Hunderte, Tausende dieser ordinären kleinen roten, blauen, grünen, gelben Kapseln. Säckeweise füllen sie damit ihre Garage, weil sich das Material wiederaufbereiten lässt, weil das Geld bringt, nicht für den eigenen materiellen Gewinn, sondern um dafür zu sorgen, dass Kinder gegen Kinderlähmung geimpft werden. In Afghanistan, Pakistan und Nigeria ist Polio noch verbreitet. Von dort kann das Virus durch Wiedereinschleppung auch in andere Länder gelangen.
Ein großes Sammelsurium
Mehr als 27 000 solcher Deckel hatten Mutter und Tochter mit viel Ehrgeiz und mit großem Engagement gesammelt. Hatten Nachbarn, Freunde, Bekannte, Mutter und Großmutter, Schwester und Tante, Neffe und Patenonkel in Hessen und Niedersachsen mit eingespannt. Sogar Frauke Hillers Chef brachte Flaschenverschlüsse mit in die Firma. Die so zusammengetragene Sammlung, fünf Säcke voll, bedeutete etwa 165 Polio-Schutzimpfungen. Doch dann kam das Problem.
Durch ihre Schule, das Alexander-Hegius-Gymnasium – und damit fing es eigentlich an – war Pauline ursprünglich auf die Sache aufmerksam geworden. Zur erfolgreichen Sammelaktion der Schule unter dem Stichwort „Deckel drauf“ leistete die 13-Jährige mit 12 715 Deckeln einen wesentlichen Beitrag. Das Sammeln wurde zur Herausforderung, und es war ansteckend. „Pauline und ich wollten ihr Ergebnis unbedingt toppen“, sagt Mutter Hiller. Doch die so erweckte Sammelleidenschaft erfuhr jäh einen Dämpfer: Die Schule setzte ihre Aktion nicht fort. Und dann las Frauke Hiller, dass der Verein „Deckel drauf“, aus der Rotary-Vereinigung hervorgegangen, seine bundesweite Aktion für beendet erklärte. Also Deckel drauf – aus die Maus?
Der Weg führt nach Bocholt
An dieser Stelle kam die Freiwilligen-Agentur ins Spiel. Hier nämlich, so erfuhr die nach der Enttäuschung auf eine Lösung per Internet hoffende Frauke Hiller, werden Deckel-Sammlerinnen und -Sammler weiterhin mit offenen Armen empfangen. Die Agentur kooperiert mit den Bocholter Rotariern, die 2017 in das Deckel-Projekt eingestiegen waren und ebenfalls unverdrossen weitermachen. Über mehrere Annahmestellen in der Stadt haben sie mittlerweile rund 14 Millionen Deckel gesammelt und so mehr als 85 000 Schluckimpfungen ermöglicht. Werner Borgers, Unternehmer und Rotary-Mitglied, fand seinerzeit eine praktische Lösung für die gute Sache: Der Standort zwischen Stenerner Weg/Borgersstraße und Barloer Weg dient als Hauptannahmestelle. Dort werden große Mengen an Deckeln in Bigbags verpackt und von einer Verwertungsfirma, die ohnehin Borgers-Geschäftspartnerin ist, zum Recyceln abgeholt.
Die E-Mail-Anfrage von Frauke Hiller, von Ahaus nach Bocholt, erwies sich somit als Volltreffer. Rainer Howestädt, Leiter der Freiwilligen-Agentur, nutzte seinen kurzen Draht zu Rotary, zur Clubmasterin Marén Korhammer und zu Sven Henckel, Projektleiter der speziellen Bocholter Rotary-Initiative „Deckel gegen Polio“, und dann setzten sich Frauke Hiller und ihre Tochter Pauline ins Auto und fuhren von Ahaus nach Bocholt zur Firma Borgers. Mit an Bord ihre inzwischen fast 28 000 Kunststoffdeckel, die sie (siehe Foto) an Sven Henckel (links) und den bei der Freiwilligen-Agentur zuständigen Michael Hesselmann (rechts) übergaben. Nach einer Stunde Fahrt bei sommerlichen 30 Grad waren die Deckel noch nicht geschmolzen, aber bald werden sie das tun, werden sich auflösen und verwandeln und sich als Bestandteile von Rucksäcken, Schirmen oder Handschuhen wiederfinden – und so quasi an der guten Tat teilhaben.
Frauke Hiller ist erleichtert. Sie hat nun eine Lösung und sammelt mit ihrer Tochter weiter. „Es macht so viel Spaß“, sagt sie. – jf –