Ein junger Verein in Mussum füllt den Begriff Inklusion mit Leben.
Es gibt Wörter, die haben was Abschreckendes. Inklusion ist für manche solch ein Wort. Ein Fremdwort, ein Reizwort – in der politischen Kontroverse aufgeladen, in der praktischen Anwendung problembeladen. Sein eigentlicher Inhalt aber ist wichtig. Und deshalb gibt es in Mussum den Verein Inklusio.
Das aus dem Lateinischen stammende Wort Inklusion lässt sich mit „Einbeziehen“ übersetzen. Der Verein hat sich das auf die Fahnen geschrieben: Er will es „allen Menschen mit und ohne Behinderung ermöglichen, sich am Leben in der Gesellschaft zu beteiligen“. Das klingt so allgemein ganz selbstverständlich. In der Praxis ist es ein hoher Anspruch.
Mehr als das Wort zählt hier der konkrete Inhalt, das aktive Handeln. Es fing damit an, dass Menschen mit Handicap, die in den Werkstätten der Büngern-Technik tätig sind, ein gescheiter Platz zum Fußballspielen fehlte. Durch einen persönlichen Kontakt kam der TuB Mussum ins Spiel, der auf seinem Vereinsgelände an der Alfred-Flender-Straße für Abhilfe sorgte. Das war der Beginn einer noch jungen Partnerschaft, die sich gerade entwickelt.
Platz für alle
Die Büngern-Technik-Kicker gaben einen Anstoß, doch in den Reihen des TuB erkannte man, dass sich hier eine Aufgabe auftat, die mehr erforderte als einen Platz zur Verfügung zu stellen. Schon lange hatte Klemens Barde die Frage umgetrieben: Wie beziehe ich alle ein, die wollen – auch diejenigen, für die es besondere Hürden gibt, die irgendein Handicap haben. Der Sport, so der 64-Jährige, der 14 Jahre lang im Vorstand des TuB Mussum aktiv war und dort jetzt Ehrenpräsident ist, biete die beste Basis dafür. Allerdings: In seiner langjährigen Praxis als stellvertretender Vorsitzender im Stadtsportverband und Vorstand der Ständigen Konferenz der SSV/GSV im Kreissportbund Borken hatte er immer wieder erlebt, dass über Inklusion geredet wurde, aber mit dem Begriff keiner so recht umgehen konnte. Also musste man ihn mit Leben füllen. Am 17. Januar 2018 wurde der Verein Inklusio gegründet – als „Verein zur Förderung von Inklusion, Migration und Sport in Mussum 2018 e.V.“ Klemens Barde wurde Vorsitzender, Marco Büdding sein Stellvertreter.
Für die in der Breitensport-Abteilung des TuB Mussum bestehende Handicap-Gruppe wirkt Inklusio als Förderverein. Unter anderem kümmert er sich um die Aus- und Weiterbildung von Übungsleitern, Helferinnen und Helfern, die Menschen mit Handicap betreuen. Er achtet auf Barrierefreiheit und betreibt den entsprechenden Umbau des Vereinsheimes. Er kümmert sich darum, dass die Fußballer der Büngern-Technik und auch Schüler der Bischof-Kettler-Schule zur Platzanlage gelangen und wieder abgeholt werden, was in Kooperation mit der Schule, mit Caritas, Büngern-Technik und Angehörigen gut klappt. Sogar aus Borken, wo Marco Büdding als Förderschullehrer arbeitet, kommen Fußballer. Organisiert wird auch die Teilnahme am Spielbetrieb der Handicap-Runde und an Turnieren wie demnächst wieder beim WattExtra-Inklusionsliga-Turnier (siehe Box).
Fußball und mehr
Das TuB-Trikot zu tragen ist in diesem Fall ein Stück Inklusion. Es bedeutet, einen wichtigen Bezugspunkt zu gewinnen und zur großen Mussumer TuB-Familie mit fast 1000 Angehörigen dazugehören. Aber nicht nur unter sich, im engen Team-Rahmen. Einbindung und Teilhabe heißt auch Trainingsspiele gegen andere Mannschaften des Vereins auszutragen, teils auch in „gemischter“ Zusammensetzung, und anschließend gemeinsam zu grillen. Oder gemeinsam Karneval zu feiern. Und dass zum Frühlingsfest selbstverständlich auch der Trainer der ersten Mannschaft kommt. Von den Handicap-Fußballern haben sich „drei oder vier Leute für den normalen Spielbetrieb empfohlen“, sagt Marco Büdding. Dass sie daran teilnehmen „ist unsere Zielsetzung“.
Über Sponsoren und Spenden macht der Verein Finanzierungen möglich – für qualitativ gute Angebote und Projekte, für die es keine öffentliche Förderung gibt. Dabei geht es zum einen darum, für Nachhaltigkeit zu sorgen. Zum anderen um immer wieder neue Ideen und Ansätze. Im nächsten Jahr soll in Kooperation mit der Büngern-Technik eine Trommler-Gruppe ins Leben gerufen werden – unter anderem ein vielversprechender Ansatz, sich ins Kulturangebot einzuklinken.
„Wir haben das Gefühl, dass wir schon viel geschafft haben“, sagt Klemens Barde, der seit 26 Jahren ehrenamtlich tätig ist. Er und sein Stellvertreter, die von Geschäftsführer Markus Reusen sowie von Arbeitsgruppen unterstützt werden, erleben immer wieder die große Freude und Begeisterung derer, für die sie sich engagieren. Da bekomme man mehr zurück als von Mitgliedern einer Jugendmannschaft ohne Handicap, sagen sie.
Gleichwohl gibt es für sie noch viel zu tun. Auch um Flüchtlinge will der Verein Inklusio sich kümmern, und er will mit anderen Mussumer Vereinen und Einrichtungen zusammenarbeiten. Da besteht noch Bedarf an Information und Austausch. Inklusio will sie dazu ins Mussumer Heimathaus einladen. – jf –