Seit gut drei Jahren setzt sich Doris Eiling für die Belange des Weissen Rings ein. Sie versteht sich als Stimme für die Opfer von Kriminalitätsdelikten.
Das Spektrum der Taten ist äußerst breit gefächert, die Hilflosigkeit der Opfer oft sehr groß.
Für das Gespräch habe ich Doris Eiling (auf dem Foto links) in die Räumlichkeiten der Freiwilligen Agentur eingeladen. „Genau hier hat alles begonnen“, erzählt sie. „Bei einem Gang durch die Langenbergstraße bin ich Birgit Tebroke, Mitarbeiterin der Freiwilligen-Agentur, begegnet. Im Laufe einer Unterhaltung habe ich erfahren, dass sie mir bei der Suche nach einer erfüllenden Aufgabe – meine Pensionierung stand kurz vor der Tür – helfen könne. Aus dem langen Katalog der ehrenamtlichen Tätigkeiten konnte sie mir etwas Passendes anbieten: Mitarbeit beim Weissen Ring.“
Beratung war das Schwerpunktgebiet in der beruflichen Laufbahn von Doris Eiling. Von daher fühlte sie sich für die neue Aufgabe gerüstet, zumal eine umfangreiche Fortbildung in die Opferarbeit des Weissen Rings und die Vorgehensweise einführte. Ein halbes Jahr lang begleitete sie Mitarbeiter/innen in der Opferberatung.
Ihr Vorgänger, Ewald Vogeshaus, stand 35 Jahre lang ehrenamtlich an der Spitze des Weissen Rings als Außenstellenleiter im Kreis Borken. Die Leitung wollte er nun aus Altersgründen abgeben. Doris Eiling erklärte sich bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. „Es geht darum, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie man den Opfern begegnen kann, welche konkrete Hilfe in welcher Situation angebracht ist. Mit den Mitarbeiter/innen wird erörtert, welche Möglichkeiten der Hilfe zur Verfügung stehen. Doch jeder Fall ist anders, bedarf also der persönlichen Einfühlsamkeit.“
Wie ist das Vorgehen?
Der erste Kontakt läuft meist über das Opfertelefon des Weissen Rings (Tel.-Nr.: 116006) oder über die Opferschutzbeauftragten der Polizei. Eine Anfrage kann auch anonym erfolgen. Viele Betroffene scheuen sich zunächst, namentlich in Erscheinung zu treten. Sie wollen erst einmal erfahren, ob sie in ihrer speziellen Situation Hilfe bekommen könnten. Wollen sie diese in Anspruch nehmen, müssen die persönlichen Daten bekanntgegeben werden. Ein Zusammentreffen findet dann an einer vom Opfer vorgeschlagenen Örtlichkeit statt.
Doris Eiling erläutert: „Wir verstehen uns als Lotsen für Hilfe zur Selbsthilfe. Wir zeigen die verschiedenen Wege auf, die begangen werden können, helfen bei Bedarf beim Ausfüllen des Opferentschädigungsantrags.“ (Das Opferentschädigungsgesetz soll einen Ausgleich für gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen der Tat herbeiführen.) Die meisten Fälle müssen an einen Rechtsanwalt weitergeleitet werden; die Erstberatung von 190 € übernimmt der Weisse Ring. Über die Zusammenarbeit mit der Bundesgeschäftsstelle, die ihren Sitz in Mainz hat und bei der alle Fälle gebündelt werden, kann weitere finanzielle Hilfe geleistet werden. Grundsätzlich muss das Opfer seine Einwilligung zur Weiterleitung geben.
Dadurch können Opfer die vielfältigen Hilfssysteme in Anspruch nehmen, die der Weisse Ring vermitteln kann. So gibt es einen Fond für Missbrauchsopfer, traumatisierte Opfer werden zügig an die Trauma Ambulanz in Münster, Kinder an die Vestische Klinik in Datteln überwiesen. Darüber hinaus können notwendige Therapien über den üblichen Umfang verlängert und Anträge zu Selbstbehauptungskursen gestellt werden.
Wer kann in diese Situation kommen?
Jeder kann Opfer eines kriminellen Angriffs werden, egal welchen Alters und welchen Geschlechts, wobei die Anzahl der Mädchen und Frauen überwiegt. Es gibt vielfältige Formen der Angriffe, wie zum Beispiel häusliche Gewalt, Missbrauch und Vergewaltigung, Körperverletzung, Diebstahl und Überfall, Schockanrufe, Stalking. Entstehen bei einem Überfall Verletzungen, die einen chirurgischen Eingriff nötig machen, kann dieser eingeleitet und ein Antrag auf Entschädigung gestellt werden. Für Stalking hat der Weiße Ring eine spezielle Stalking-App entwickelt, die sich jeder auf sein Handy laden kann. Über diese erhält ein Betroffener Tipps darüber, wie er sich verhalten kann. Gespräche können aufgezeichnet, unauffällig Fotos geschossen werden. Beides ist bei einer Anzeige verwertbar. In Apotheken liegen Flyer aus zu dem Thema „Kein Anschluss für Betrüger am Telefon“.
Warum das Engagement im Weissen Ring?
Das Ziel sei es, Betroffenen wieder Mut und neue Hoffnung zu geben, ihnen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind, sagt Doris Eiling. Die Opferhelfer werden darauf vorbereitet, professionelle Hilfe zu leisten. Dazu gibt es immer Seminare, die alle Teilnehmenden methodisch auf den aktuellen Stand der Wissenschaft bringen.
Doris Eiling ist gerne im Austausch mit Menschen. „Es ist ein gutes Gefühl, anderen helfen zu können“, betont sie. Man bekomme viel zurück, sowohl von Betroffenen als auch von den Mitarbeiter/innen. Sie zeigt mir eine Schale, die ihre Einstellung verdeutlicht. „Ich habe eine Schale mitgebracht, die seitlich ein Loch aufweist und die sinnbildlich auf die Verletzungen der Hilfesuchenden verweisen soll. Freunde haben mich gefragt, warum ich gerade diese erstanden habe. Sie hat mir gerade wegen des Lochs gefallen; man muss genau überlegen, was man hineinlegen kann. Und so ist es auch bei den Opfern. Man muss gut abwägen, womit man wie helfen kann. – ah –