Endlich komme ich auch einmal zu Wort, schließlich bin ich eine Vertreterin der vielen vierbeinigen ehrenamtlichen Helfer.
Ich bin eine dunkelblonde Golden-Retriever-Dame. Dreimal in der Woche schenke ich meine Zeit und Zuneigung Menschen – im Azurit-Seniorenzentrum und als Gesundheitsbegleiterin. Von einem solchen Besuch will ich erzählen.
So ein Arbeitstag beginnt etwas frustrierend, nämlich mit dem Verzicht auf das gewohnte Frühstück. Aber ich bekomme dann meine Arbeitskleidung, das rote Halstuch, und weiß, dass ich für den Verzicht später fürstlich entlohnt werde. Auch die Arbeitstasche ist schon gepackt. Nach einem kleinen Spaziergang fährt mich mein Mensch, die Steffi Frieg, zu meinen Senioren. Vor dem Arbeitsbeginn stürme ich noch einmal kurz über die Wiese, schreibe ein paar Briefchen für meine Artgenossen, und dann geht es mit dem Aufzug in den Therapieraum im zweiten Stock. Da werde ich schon erwartet. Manche Bewohner des Heims kenne ich schon seit meinem Arbeitsbeginn vor zwei Jahren. Andere sehe ich zum ersten Mal.
Das späte Frühstück erarbeite ich mir
Weil mein freundliches Schwanzwedeln und Schnuppern nicht von jedem gleich verstanden wird, übernimmt meine Steffi die Begrüßung und erzählt ein bisschen von mir. Dass sie mich dabei Schmusebacke nennt, finde ich ein bisschen peinlich, denn das ist zu privat. Mein Name ist Summer! Aber dann konzentriere ich mich voll auf meine Steffi und unsere Geheimsprache, die aus Handzeichen, leisen Anweisungen und gesenktem Kopf mit gespitzten Ohren besteht.
Es startet die erste Runde des Verwöhnprogramms, sowohl für mich wie auch für die versammelten Menschen. Jeder in der Runde bekommt von meiner Steffi ein Leckerli in die Hand und ein paar aufmunternde Worte dazu, und so hole ich mir die ersten Bröckchen meines Frühstücks ab und bekomme dazu auch die ersten Streicheleinheiten. Manchmal muss ich mich dabei kräftig recken, denn einige Bewohner sitzen in hohen Rollstühlen und können ihre Hände nicht so leicht auf meine Nasenhöhe bringen. Das macht noch nicht wirklich satt, aber in der zweiten Runde gibt es von jedem gleich zwei Stückchen, die auf deren Füßen liegen.
Nach so vielen Leckerchen brauche ich jetzt erst einmal Wasser. Während ich schlabbere, erzählt meine Steffi, dass ich zehn Wochen alt war, als ich in ihre Familie kam. Da durfte ich erst einmal nur Hund sein und wachsen und gedeihen. Dann ging es langsam los mit dem Unterricht. Das mit dem Sauberwerden hatte ich schnell heraus, Sitz! und Platz! waren problemlos. Damit war meine Lernbegierde aber noch lange nicht gestillt. Nach etwa acht Monaten war ich dann soweit und konnte mit der mir eigenen Freundlichkeit allen Zweibeinern gegenüber erste Besuche machen
Schwimmen ist meine Passion
Meine Steffi erzählt auch, dass ich eine begeisterte Schwimmerin bin und mich hündisch auf unseren nächsten Urlaub in Greetsiel freue, denn da gibt es einen Hundestrand. Wasser, Wellen, plantschen und dann sich genüsslich im Sand wälzen – mein Traumurlaub!
Dann geht mit einer leisen Anweisungen meiner Steffi die Arbeit weiter. Diesmal wird ein Rohr herumgereicht und jeder Teilnehmer lässt ein leckeres Bröckchen hindurch fallen und freut sich, wenn es schnell in meinem Maul verschwindet. Manche versuchen auch, das Leckerli durch Pusten aus dem Rohr zu bugsieren. Dann bleibe ich ruhig sitzen, denn ich weiß schließlich, dass das nicht funktioniert. In die Senkrechte muss man das Rohr bringen. Irgendwann klappt es doch bei jedem.
Anstrengen müssen sich die Teilnehmer auch ein bisschen, wenn mein Knautschball ausgepackt wird. Weit in den Raum hinein sollen sie ihn werfen. Ich bringe ihn dann zurück. Meist sofort, denn die Belohnung lockt. Andererseits bin ich fast satt, und eine Runde Ball schütteln macht auch Spaß.
Pausen müssen sein
In der nächsten Arbeitsrunde kann ich mich ein bisschen ausruhen. Da gibt es das Kochlöffel-Spiel. Dabei wird ein dicker Leckerbissen auf einen Löffel gelegt und die alten Herrschaften reichen ihn von einem zum anderen. Das klappt meist ganz gut, so dass ich erst am Ende der Runde meinen Teil bekomme. Ich passe aber immer gut auf, denn sollte mein Futter auf den Boden fallen, muss ich schnell zur Stelle sein.
Fast am Ende der Stunde kündigt meine Steffi noch ein paar Kunststückchen an. Sie ist eben eine gute Conferenciere. Aber ich bitte Sie! Mein Futter unter Stoffstücken zu erschnüffeln oder ein paar Holzscheiben zu verschieben, um es zu bekommen, ist für meine Supernase doch überhaupt kein Problem.
Jetzt noch eine Verabschiedungsrunde, letzte Happen und Kopfkraulen von jedem Teilnehmer. Sehr satt bin ich mittlerweile und ich muss aufpassen, dass meine wohlproportionierten 30 Kilo nicht explodieren. Außerdem bin ich jetzt hundemüde. Den Abschiedsapplaus nehme ich noch mit und dann ist Ruhe angesagt. – bh –