Ob es die Milch macht? Durchaus rund zehn Liter trinken die Hillers wöchentlich. Aber das allein ist es nicht, was sie zu einem sagenhaften Sammelrekord getrieben hat.
114 300 bunte Deckel haben Frauke und Josef Hiller und ihre Tochter Pauline zusammengetragen – von Getränkeflaschen und eben auch von Milchtüten. Um Gutes zu tun: Knapp 2800 Impfungen gegen die Kinderlähmung Polio haben sie damit möglich gemacht. In einem großen Pkw-Anhänger mit vielen blauen Säcken brachten sie die Deckel jetzt aus Ahaus nach Bocholt und übergaben sie der Freiwilligen-Agentur als Annahmestelle sowie dem Bocholter Rotary-Club, der im Rahmen seines Projekts „Deckel gegen Polio“ für die Umsetzung des gesammelten Materials zur Finanzierung von Impf-Aktionen sorgt.
Lange schon haben sich die Hillers konsequent der guten Sache verschrieben. Die ganze große Familie, über mehrere Bundesländer verteilt, außerdem Nachbarn und Arbeitskollegen – alle haben die Kunststoffdeckel mitgesammelt. Nachdem wir vor gut zwei Jahren an dieser Stelle bereits über die emsigen Sammler berichtet hatten, kamen weitere Unterstützer hinzu. Während der akuten Corona-Phase seien Behältnisse mit Deckeln vor ihrer Haustür abgestellt worden, sagt Frauke Hiller. Verschlüsse von Senf- oder Nutella-Gläsern oder auch Sektkorken, die sich teils auch darin befanden, waren halt auszusortieren.
Bislang mehr als 135 000 Impfungen
Seit fünf Jahren betreiben die Bocholter Rotarier ihr Projekt. Das Material der gesammelten Deckel wird wiederverwertet. Der Preis, den die Verwertungsfirmen dafür zahlen, schwankt. Derzeit ist er mit 80 Cent pro Kilogramm hoch, wie Sven Henckel sagt, der das Projekt in Bocholt leitet. Jeder erzielte Euro wird durch die Melinda & Bill Gates-Stiftung verdreifacht. Mehr als 22,5 Millionen der kleinen Deckel haben die Mitglieder des Bocholter Rotary-Clubs bis heute für die Polio-Aktion eingesetzt. „Das hat – konservativ gerechnet – mehr als 135 000 Impfungen ermöglicht“, so Sven Henckel.
Das Engagement der Deckel-Sammler und -Sammlerinnen ist insgesamt beachtlich. Der Treff der Bocholter Freiwilligen-Agentur an der Langenbergstraße ist als Sammelstelle – eine von mehreren in Bocholt – offensichtlich bekannt. Häufig wird sie von Bocholterinnen und Bocholtern „beliefert“, aber auch von Unterstützern aus dem Umland und darüber hinaus. Gerade erst ist ein Paket voller bunter Flaschenverschlüsse aus München hier eingetroffen, berichtet Michael Hesselmann, zuständiger ehrenamtlicher Mitarbeiter der Agentur.
Für Familie Hiller kam der Postweg nicht in Frage. Ihre Anhänger-Ladung war so gewaltig, dass sie mehr als einen der großen Bigpacks auf dem Gelände der Firma Borgers füllte, in denen alle in Bocholt zusammenkommenden Deckel schließlich landen. Von dort geht es zum Recyceln.
Netter Nebeneffekt
Bewirken die kleinen Deckel ohnehin schon viel Gutes, so können sie darüber hinaus erstaunliche Nebeneffekte haben. Rainer Howestädt, Leiter der Freiwilligen-Agentur, erzählt von einer „Deckel-Lieferantin“ aus Niedersachsen, die im Juni dieses Jahres 250 Kilometer nach Bocholt gefahren ist und bei der Gelegenheit gleich die Stadt erkundet hat. Vom Textilmuseum, von der Gastronomie und der Freundlichkeit der Menschen, die sie hier traf, sei sie sehr angetan gewesen, teilte sie hinterher freudig mit.
Das Foto oben zeigt (von links) Stefan Tenbrock, Präsident des Rotary-Clubs Bocholt, Frauke Hiller, Rainer Howestädt, Sven Henckel und Michael Hesselmann. – jf –