Menschen, die hierher geflüchtet sind, brauchen nicht nur materielle Unterstützung, sondern auch Hilfe mit Rat und Tat für das Alltagsleben in einer anderen Kultur. Der “ArbeitsKreis Asyl” leistet das.
1992. In Bosnien und Herzegowina herrscht Krieg. Tausende Menschen fliehen, auch nach Deutschland, auch nach Bocholt. Ihre Unterbringung und Versorgung ist Sache der Stadtverwaltung. Aber es gibt Bocholterinnen und Bocholter, die mehr tun wollen. Unter ihnen welche aus den Pfarreien Liebfrauen und St. Georg, die sich ehrenamtlich um die Geflüchteten kümmern. So entsteht der „ArbeitsKreis Asyl“.
Was da geschieht, ist nicht nur bemerkenswert, sondern zugleich auch gegensätzlich. Die offizielle Politik gegenüber Flüchtlingen sei „damals auf Nicht-Integration ausgerichtet“ gewesen, sagt Elisabeth Löckener, eine der drei Sprecherinnen und Sprecher des Arbeitskreises. Dessen anfangs rund ein Dutzend Mitglieder sammeln nicht nur Möbel für die Flüchtlingsunterkünfte, sondern besuchen die dort Untergebrachten und halten den Kontakt zu denen, die mehr als ein Dach über dem Kopf bräuchten.
Persönliche Betreuung
Bis heute, bald 30 Jahre später, währt dieses Engagement aus der Überzeugung, sich für Menschen zu engagieren, die Hilfe benötigen. Zu denen, die im Arbeitskreis aktiv sind, zählen Integrationspatinnen und -paten – Bocholterinnen und Bocholter, die jeweils einzelne Geflüchtete oder Familien betreuen. Auch sie tun dies ehrenamtlich. Sie wurden dafür rund ein Vierteljahr lang ausgebildet, wurden unter anderem auf Auswirkungen kultureller Unterschiede und den Umgang damit vorbereitet. „An die hundert Leute“, sagt Elisabeth Löckeners Sprecher-Kollege Josef Görge, seien so zu Patinnen und Paten geworden. Nach einem speziellen Verfahren wurde ermittelt, zu wem sie „passen“ und umgekehrt. Die so entstehenden Patenschaften wurden in der Anfangsphase persönlich begleitet. Die ersten Integrationspatinnen und -paten waren just startbereit, als 2015 besonders viele Geflüchtete nach Deutschland kamen.
Insbesondere zu Beginn des Aufenthaltes in einer fremden Umgebung mit anderen als den gewohnten Verhaltensweisen, Regeln, Bestimmungen und Gesetzen ist das „An-die-Hand-nehmen“ im alltäglichen Leben von großer Bedeutung. Dabei gelte es, auf bestimmte Dinge einzugehen, aber in anderen Fällen auch klar nein zu sagen, so Elisabeth Löckener. Die Integrationspatinnen und -paten haben auch das gelernt. Sie treffen sich in regelmäßigen Abständen, tauschen sich aus, hören themenbezogene Referate. Zur Begleitung ihrer Tätigkeit stehen ein Sozialarbeiter und eine Sozialarbeiterin sowie ein supervisorisches Angebot zur Verfügung. Wenn eine Patenschaft nicht funktioniert, wird die Betreuung gewechselt.
Integration als komplexer Prozess
Integration ist ein Prozess, Veränderungen sind gewollt, sowohl hinsichtlich der sprachlichen Fähigkeiten als auch des beruflichen Einstiegs und Fortkommens und insgesamt der Zielsetzung, sein Leben selbstständig zu führen. Das wirkt sich entsprechend auf den Einsatz der Integrationspaten und die Anforderungen an sie aus. In einigen Fällen sind zwischen ihnen und ihren „Patenkindern“ anhaltende freundschaftliche Kontakte entstanden. Beim jährlichen internationalen Familienfest oder der Nikolausfeier kommen alle zusammen: Betreuer und Betreute und auch andere Bewohner und Bewohnerinnen von Flüchtlingsunterkünften.
Rund 50 Integrationspatinnen und -paten des „ArbeitsKreises Asyl“ sind derzeit aktiv. Die Nachfrage sei deutlich größer, sagt Josef Görge. Über Sprachkurse, Schulen und andere Einrichtungen erfahren Geflüchtete, dass es diese persönliche Unterstützung gibt.
Im Vergleich zu den Anfangsjahren habe sich in Sachen Integration Vieles gebessert, so Josef Görge. Der Arbeitskreis Asyl, der derweil alle Bocholter Pfarreien einschließt und in dem aktuell 27 Mitglieder aktiv sind, arbeitet mit vielen Einrichtungen und Kooperationspartnern zusammen – neben dem Bistum Münster auch mit der Caritas, Fabi, AWO, Volkshochschule, Kreishandwerkerschaft, EWIBO und Stadtverwaltung. Bürokratische Hemmnisse gebe es nicht, sagen die Sprecher – im Gegenteil: Das Engagement entlaste die Verwaltung. „Wenn unsere Arbeit nicht gemacht worden wäre“, sagt Josef Görge mit berechtigtem Stolz, „wäre die Integration bei vielen Geflüchteten nicht so schnell gegangen.“ – jf –