Eine Landfrau ist „eine im ländlichen, besonders im landwirtschaftlichen Bereich tätige Frau“. Sagt der Duden. Und was sagt die Landfrau selbst? Wir haben Waltraud Willing aus Spork gefragt.
Der Duden bleibt ziemlich zurückhaltend und unpräzise. Er will halt keine Klischees bedienen, die da lauten: Landfrauen sind eine besondere Frauen-Spezies, biedere Heimchen vom Lande, bienenfleißig und anpackend, praktisch orientiert, hervorragende Hausfrauen und Tortenbäckerinnen, aber ohne den modischen Chic der Städterinnen, ohne deren Umgangsstil und kulturellen Anspruch. Falsch, weiß man. Aber dann stellt sich doch die Frage, wieso es diesen Begriff der Landfrau gibt, ja sogar ein großes Landfrauen-Netzwerk und allein in Bocholt fünf Ortsverbände mit rund 500 Mitgliedern.
Tradition und Neubeginn
Ein Stück weit ist es Tradition. Ende des 19. Jahrhunderts, als sich in Deutschland verschiedenste Interessengruppen überall in Vereinen und Verbänden organisierten, entstanden auch die landwirtschaftlichen Hausfrauenvereine. Ihre wesentliche Zielsetzung war die hauswirtschaftliche Weiterbildung, waren Koch- und Kinderpflegekurse. Die Nationalsozialisten beendeten deren eigenständige Existenz. Nach dem Krieg entstanden die Landfrauen-Verbände als Nachfolgeorganisationen.
Im Vergleich zur städtischen Wohnsituation sind im Alltag ländlicher Familien besondere Probleme zu lösen – früher unter noch wesentlich schwierigeren Voraussetzungen als heute. Weite Wege zur Schule, zu Ärzten oder zum Einkaufen zu organisieren und auch selbst zu absolvieren war und ist Aufgabe der Frauen und Mütter, die außer in Haus und Hof teils auch noch auf dem Feld im Einsatz waren oder sind. Dass sie sich zusammentaten, diente unter diesen Voraussetzungen auch dazu, einfach mal „aus dem Alltag rauszukommen und zu entspannen“, wie Waltraud Willing sagt. Sie ist Vorsitzende des Landfrauen-Ortsverbandes Spork-Holtwick-Suderwick mit rund 130 Mitgliedern. Der Vorstand mit neun ehrenamtlich aktiven Frauen aus allen drei Ortsteilen kommt möglichst monatlich zusammen, um anstehende Aufgaben zu planen und zu organisieren.
Der Zusammenschluss der Landfrauen hatte insofern von Beginn an auch mit Geselligkeit zu tun. Und das ist auch heute noch so. Wenn die Landfrauen auf Kreisebene ihr jährliches Forum in Südlohn mit Vortrag, Essen und Trinken, Musik und Rahmenprogramm veranstalten, kommen mehr als 1000 Teilnehmerinnen zusammen. Ebenso begehrt sind die Fahrradtouren, die Ausflugsfahrten und die Tagesfahrten zu besonderen Gärten oder auch das gemeinsame Schlemmerfrühstück aller fünf Bocholter Ortsverbände im Januar.
Aber mehr noch: So vielfältig gefordert, dient der Austausch unter gleichermaßen Betroffenen den Landfrauen als Stärkung, die durchweg mit hilfreichen und aktuellen Informationen verbunden ist. Das führte zu einem Entwicklungsprozess: Aus der einstigen Bestätigung der klassischen Hausfrauen-Rolle erwuchs zunehmend eine Emanzipation zu selbstbewussten Frauen, die den Alltag clever managen und einem Beruf nachgehen, der heute oft ein nicht „ländlicher“ ist. „42 Prozent unserer Mitglieder haben noch etwas mit Landwirtschaft zu tun“, sagt Waltraud Willing.
Umwelt, Gesundheit, neue Medien
Die Weiterbildung ist nach wie vor ein wesentliches Anliegen, aber im Vergleich zu den Anfangsjahren mit anderen und sich aktuell erneuernden Inhalten. Die Vermeidung von Plastik wird thematisiert, Bienenwachstücher werden hergestellt, um die Verwendung von Folien zu vermeiden, und auf Gut Heidefeld geht es um Frauengesundheit. Und natürlich werden kreisweit auch Smartphone- und Tablet-Kurse angeboten.
Eine übergreifend stützende Dachorganisation ist der Deutsche Landfrauenverband, der sich als Interessenvertreter der Frauen und ihrer Familien im ländlichen Raum versteht. Er kümmert sich um berufsständische Interessen der Bäuerinnen, will die Situation der Frauen in sozialer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Vor Ort unterstützen und helfen die Landfrauen sich auch selbst. Etwa mittels des Landfrauen-Telefons, das unter anderem klingelt, wenn Anruferinnen und auch Anrufer verzweifelt sind, nicht mehr wissen, wie es mit ihrem Hof weitergehen soll. Und es ist die Gemeinschaft, die Frauen zur Seite steht, wenn sie ihren Mann verlieren.
Fernsehsendungen wie „Land und lecker“ mögen das alte Landfrauen-Bild bestätigen. „Kaffee und Kuchen können wir immer noch“, sagt Waltraud Willing. Und sie produzieren über Leckeres auch auch Schönes und Praktisches, etwa für den Sporker Adventsmarkt (Foto oben). Aber Frauen vom Lande anno 2019 in Bocholt wie auch kreisweit sind auch Direktvermarkterinnen, vermieten Ferienwohnungen per Internet, arbeiten als Selbstständige, als Verkäuferin oder Bankerin. Und sie entwickeln kreative Ideen für spezielle Angebote, die junge Frauen bewegen sollen, die Landfrauen-Tradition fortzusetzen. Um an ihrer Zukunft zu schmieden, packen sie in Spork auch heiße Eisen an: Ein Schmiede-Kurs, einst reine Männersache, war unter Interessentinnen ein Renner.
Landfrau aktuell bedeutet Gemeinschaft, Unterstützung, Ausgleich, vielfältige Fortbildung, Kreativität und Spaß in einem. Stadtfrau könnte neidisch werden. – jf –