Eigentlich heißt er Willi, Willi Terodde. Ohne ihn ist das Vereinsheim als zentrale Anlaufstelle unvorstellbar.
Trainer und Spieler werden öffentlich präsentiert, gelobt oder getadelt. Mitunter wird auch der Präsident erwähnt. Aber so manches andere ehrenamtliche Engagement im Verein wird weniger wahrgenommen. Beim SV Biemenhorst haben wir drei solcher Beispiele entdeckt, über die wir berichten. In Folge zwei stellen wir den Vereinswirt vor, den alle mögen – ebenso wie seine Schnitzel und Frikadellen.
So ein Verein ist ein großer Treffpunkt. Ein wesentlicher Teil des Lebens im Dorf oder im Ortsteil spielt hier. Platz für den Austausch untereinander, das Schwätzchen, die wichtige Information ist weniger auf dem grünen Rasen oder in der Sporthalle. Dafür braucht es das Vereinsheim, das Vereinslokal, die Vereinskneipe oder -gaststätte. Früher jedenfalls war das so. Wer sich dort nicht blicken ließ, als Spieler, Trainer, Abteilungsleiter oder Vorstand, verpasste Wesentliches oder musste das zumindest befürchten. Nicht nur um die Mannschaftsaufstellung ging es beim Bier, sondern auch darum, sich persönlicher, privater zu geben, ebenso selbstbestimmt wie kumpelhaft. Vor allem auch um Zugehörigkeit, um den viel beschworenen Teamgeist. Wer unentschuldigt nicht dabei war, lief Gefahr, sich selbst ins Abseits zu stellen. Und heute? „Die Zeiten haben sich geändert“, sagt Willi Terodde, Vereinswirt des SV Biemenhorst. Nicht komplett, aber teils beträchtlich.
„Ich bin dem Verein seit meiner Kindheit verbunden“, sagt der 71-Jährige, der einst für dessen Farben Fußball spielte. Insofern steht er für ein Stück Vereinsgeschichte. Metzger ist er gewesen. Mit knapp 40 stoppte ihn eine schwere Krankheit. Vor 16 Jahren, als das Vereinsheim umgebaut wurde, fand er darin seine neue Aufgabe als Wirt.
“Man muss stets das Positive wollen”
Manchmal ist im Vereinslokal der Siegtorschütze der Held oder der Meistertrainer. Aber der Wirt ist immer eine zentrale Figur des gesamten Vereins. Jeder kennt ihn, den Willi, den fast alle Oskar nennen. Auch damit ist er im Verein groß geworden: Als er fünf oder sechs Jahre alt war, haben seine Mitspieler ihm den Namen verpasst – nach der Zeichenfigur „Oskar, der freundliche Polizist“, der er zwar nicht ähnlich sah und sieht, deren guter Charakter aber schon damals offenkundig war. Der Vereinswirt ist auch deshalb wichtig, weil er sie alle erlebt und ganz viel mitkriegt. Unter anderem Reaktionen auf Sieg oder Niederlage, Freude und Frust. Mit all dem sollte ein Wirt behutsam umgehen, quasi mit verbalem Fingerspitzengefühl. Seine Grundhaltung: „Man muss immer das Positive für den Verein wollen und sich so verhalten.“
Als Vereinswirt steht Willi Terodde nicht nur hinter der Theke, sondern ist „der Mann für alle Fälle“, wie er sagt. Er ist Einkäufer und Verkäufer, Frikadellenmacher und Schnitzelbrater, spricht sich mit dem Getränkehändler ab, kalkuliert den Bedarf und die Preise anhand seiner langjährig angesammelten Erfahrungswerte. Auch Wünsche außer der Reihe, etwa Speis und Trank für Feiern, erfüllt „Oskar“. Nach den Mitgliedsbeiträgen sei das Vereinsheim die wichtigste Einnahmequelle des Vereins, sagt er.
Im Prinzip sind die Aufgaben die gleichen wie früher. Und doch hat sich was verändert. „Früher hatten die Leute mehr Zeit“, sagt Willi Terodde. Da gab es außer Fußball nicht so viel anderes, kein Internet, keine Handys, kein McDonalds. Was weiterhin unbedingt sein muss, ist, dass „der Schiedsrichter vernünftig empfangen“ wird. Wenn der kommt, gibt es für ihn erst einmal eine Tasse Kaffee und nach dem Spiel „was zu essen“ – je nach Spielausgang mehr oder weniger, wie Willi Terodde scherzt. Fairer Umgang und nebenbei positive Außenwirkung – der Wirt hat was Vermittelndes. Das gilt auch für seine Funktion als Auskunftsperson und Wegweiser etwa für Gastmannschaften. Nach der Partie wird den Spielern der ersten Mannschaft weiterhin ein Essen spendiert, das ist Tradition. Aber die Zuschauer hängen das Pläuschchen im Vereinsheim vielfach nicht mehr dran.
45 Wochen im Jahr
Geändert haben sich auch die Trinkgewohnheiten. „Die kriegen heute keinen Kasten Bier mehr leer“, sagt Willi Terodde über seine Gäste in Mannschaftsstärke. Der Getränkekonsum erfolge „zu 90 Prozent alkoholfrei“. Ein bisschen Erinnerung an „Echte-Kerle-Zeiten“ scheint da mitzuschwingen. Aber natürlich weiß er, dass diese Entwicklung in Sachen Alkohol positiv ist.
In gewisser Hinsicht hat das Vereinsheim an zentraler Bedeutung verloren, und doch ist es weiterhin eine wichtige Anlaufstelle. Nach dem Training verhindert es das abrupte Auseinandergehen, ermöglicht quasi ein „mentales Auslaufen“. Und es ist ein vereinsübergreifender Treffpunkt: Für den Dart-Klub ebenso wie für Leute, die knobeln möchten.
Von dienstags bis sonntags bewirtet Willi Terodde seine Gäste. Alles in allem macht das für ihn eine 40-Stunden-Woche aus. 40 Stunden Ehrenamt. „Man ist 45 Wochen im Jahr garantiert dort“, meint er – normalerweise, ohne die Corona-Zwangspause. Samstags werde es dann häufig bis gegen Mitternacht, und am nächsten Morgen gehe es ab 9 Uhr weiter, „16 bis 18 Stunden am Stück“.
„Viele Leute sehen das nicht“, stellt er fest. Außer wenn es um seine Nachfolge geht. Für ihn wäre es an der Zeit, aufzuhören, sagt er, aber bislang hat sich niemand gefunden, der oder die ihn ablösen würde. „Das will keiner mehr machen.“ Er bleibt also Vereinswirt, nach gutem Zureden, „bis nach der Pandemie“. Was ihm jetzt, in diesen unwirtlichen Zeiten gut tut, sind manche Begegnungen, Momente wie die mit den Vereinskindern, denen er selbst gefüllte Wundertüten schenkt und die ihn anstrahlen, wenn sie ihm in der Stadt begegnen. – jf –