Corona besiegen – schön wär‘s! Aber dieser Gegner verlangt Abstand. Die Lowicker Taekwondo-Kämpfer hoffen auf neue Kontakte.
Die unfreiwillige Kampfpause bietet Gelegenheit zu einem Treffen mit Heribert Frerick. Als früherer Aktiver und Trainer sowie seit fast 30 Jahren als Abteilungsleiter in Lowick ist er ein Vorkämpfer für diesen Sport in Bocholt.
Eigentlich war er Fußballer. Torwart bei der DJK 97. Nach einem doppelten Unterarmbruch ging das nicht mehr. Er wechselte zum Kampfsport und war 1991 Gründungsmitglied der Lowicker Taekwondo-Abteilung – als Trainer und gleich auch als deren Abteilungsleiter. „Ich habe immer daran gearbeitet, dass es zu einer voll anerkannten Sportart in Bocholt wurde“, sagt er. Das kann man wörtlich nehmen. Als Trainer – vor Ort und für den Bezirk Münster/Detmold – war er in ganz Europa unterwegs, war lange Jahre als Vollkontakt-Referent für den Landesverband aktiv, hat sich für Talentsichtung und -förderung engagiert, an nahezu sämtlichen Bocholter Schulen Schnupperkurse gegeben, Turniere veranstaltet und vieles mehr. Dass die Taekwondo-Abteilung der DJK SF 97/30 Lowick rund 100 Mitglieder zählt, es in Kampfgemeinschaften bis in die Bundesliga und sogar zur deutschen Meisterschaft und Vizemeisterschaft brachte, unter anderem viele Landestitel einheimste, deutsche und internationale Einzelmeister und eine Studenten-Vizeweltmeisterin hervorbrachte sowie Nationalmannschaftsmitglieder stellte und stellt, ist wesentlich auch sein Verdienst. Viele der heutigen Taekwondo-Trainer in anderen Vereinen in und um Bocholt seien ehemalige Schüler von ihm, sagt er.
Brücken gebaut
Heribert Frerick kann davon erzählen, wie er sich mal beim Taekwondo-Training den Fuß gebrochen hat, wie dann im Laufe der Jahre eine umfangreiche Schutzausrüstung für die Kämpfer Pflicht wurde, wie – ähnlich wie beim Fechten – eine elektronische Trefferanzeige eingeführt wurde und der Sport insgesamt etwas „softer“ geworden sei. Er hat erlebt, wie Taekwondo im Jahr 2000 zur olympischen Disziplin wurde und welche Bedeutung seine Abteilung in ihrer Entstehungsphase für die Integration von Migrantenkindern hatte, für deren Teilnahme er auch zu deren Eltern „Brücken gebaut“ hat. Besonders stolz ist er darauf, „was aus ihnen geworden ist“. Die meisten hätten neben ihrem Sport tolle berufliche Karrieren hinbekommen. Bis heute pflege er die Freundschaft zu ihnen und halte regelmäßig Kontakt.
Schon im Alter zwischen fünf und sechs Jahren beginnen die Jüngsten in der Kindergruppe, die zwischen 25 und 30 Mitglieder zählt. Es gibt eine leistungsorientierte Wettkampfgruppe mit 35 Aktiven, eine Gruppe zur Vermittlung der Grundtechniken mit besonderer Prüfungsvorbereitung bis zum Meistergrad und neuerdings eine Seniorengruppe als Alternative für etwas ältere Mitglieder.
Warum kommen sie alle zum Training in die alte Halle der früheren St. Bernhard-Grundschule oder in die Annette-von-Droste-Hülshoff-Schule? Die Action-Animationswelle mit Shaolin Kung Fu und Jackie-Chan-Filmen sei längst vorüber, sagt Heribert Frerick, der so gerne eine vereinseigene Halle an der Lowicker Sportanlage hätte. Die im Training vermittelte körperliche Fitness, die Sprungkraft ebenso umfasst wie Gelenkigkeit, Wendigkeit, Schnelligkeit und Kondition, ist ein Anreiz. Beweglichkeits- und Konzentrationsdefizite sind ein Grund, weshalb Ärzte Taekwondo für Kinder empfehlen. Und sicher spiele auch die Exotik der Sportart eine gewisse Rolle, sagt der Abteilungsleiter – nach dem Motto „Fußball macht doch jeder.“
Wettkampf oder auch Selbstverteidigung
Nicht allen Aktiven sind Turniere und Wettkämpfe so wichtig wie den derzeit fünf Lowicker Taekwondo-Sportlern im Landeskader und besonders dem 14-jährigen Emre Cavusman. Er ist internationaler Slowenien-Open-Sieger und Zweitplatzierter bei den German und Dutch Open sowie Ranglistenerster seiner Klasse in Deutschland. Corona verhinderte seinen Start für das deutsche Nationalteam bei den Jugendeuropameisterschaften in diesem Jahr. Taekwondo bietet auch für die Selbstverteidigung nutzbare Techniken – ein Grund, weshalb sich unter den Mitgliedern auch viele Mädchen finden. Treibende Kraft seien immer öfter die Eltern, die sich wünschen, dass sich ihre Kinder im Ernstfall wehren können, sagt der Abteilungsleiter.
Vor zwei Jahren, mit 63, endete das Berufsleben von Heribert Frerick, das als Technischer Zeichner für Maschinenbau bei der Firma Spaleck begann und als Beamter bei der Deutschen Bahn in Duisburg endete. Aktiv ist er aufgrund eines Knieschadens seit neun Jahren nicht mehr. Sein ehrenamtliches Engagement geht indes weiter. Mitgliederverwaltung, Budget-Planung, Sponsorensuche, Kontakt mit dem Gesamtverein und Pressearbeit gehören dazu. Und die Pflege des Internet-Auftritts, der unter anderem von den jüngsten Erfolgen kündet. Die seien für ihn als Motivation „besser als jede Bezahlung“, sagt Heribert Frerick. Hinzu kommen die Kontakte zu Trainern und Athleten und „natürlich der Spaß am Sport“. Gelebter Kontakt-Sport eben, und dagegen hat der Kontaktverhinderer Corona dann bald gewiss keine Chance mehr. – jf –