Mit ihren kleinen Welten macht unsere Kollegin Birgit Tebroke unser Fenster zum wahren Schau-Fenster und bringt ein Lächeln in den Alltag. Das müssen wir hier unbedingt mal würdigen.
Der Alltag ist – na ja, irgendwie ziemlich monoton, sagen wir gewöhnlich. Da sehnt man sich nach Kontrast, reist immer häufiger hinaus in die große weite bunte Welt. Doch manchmal liegt das Gute und Schöne ganz nahe, und deshalb sollte man zur Abwechslung ab und an unbedingt die Langenbergstraße aufsuchen. Dort gibt es bunte Welt en miniature, wechselnde Orte, Figuren, Szenen aus dem – man staunt – lebendigen Alltag. Alles andere als gewöhnlich.
Genau genommen geht es um das Schaufenster der Freiwilligen-Agentur im Haus mit der Nummer 18. Das dient nicht, wie sonst üblich, der Verkaufsförderung, denn hier gibt es kostenlos Informationen und Beratung. Und es gibt im Berater-Team eine ganz besonders kreative und rührige Kollegin, die den besagten Alltag mit großem Geschick und enormer Fingerfertigkeit gestaltet. Die von ihr geschaffenen kleinen Schauplätze hinter der Fensterscheibe locken immer mehr Betrachterinnen und Betrachter. „Das macht mir Spaß“, sagt Birgit Tebroke und meint damit ihr gesamtes schöpferisches Wesen – ihre Ideen, die Umsetzung, das Finden von Lösungen und schließlich das Ergebnis und das, was es bei Groß und Klein bewirkt.
Basteln? !
Basteln – das Wort löst vielfach nicht gerade Begeisterung aus. Für so manch einen steht es für Althergebrachtes, gilt als umständlich, zeitraubend und unperfekt. Man googelt, chattet, postet, streamt, lässt die KI machen und den 3-D-Drucker drucken – aber basteln? Kindergartenkram, müdes Lächeln.

Als es weihnachtete, fand sich das Berater-Team in und an einer Hütte wieder – ebenso geschrumpft wie Plätzchen und Geschenke…
Klassische Bastelläden gibt es kaum noch, doch es wird immer noch gebastelt, vielleicht sogar wieder mehr – als eine Art Ausgleich zur stetigen Fortentwicklung einer Welt, die immer künstlicher wird, in der immer weniger Dinge greifbar sind. Birgit Tebroke hat das Basteln quasi mit hinübergenommen in die heutige Zeit. Ihre Mutter hat es ihr und ihrer Schwester vorgemacht, hat gehandwerkt, gestrickt oder genäht. Und dann war es tatsächlich der Kindergarten, der das Basteln für Birgit Tebroke zum beruflichen Inhalt werden ließ – 35 Jahre lang als Erzieherin, zunächst in Krefeld, dann in Bocholt.
Danach, nunmehr als Beraterin der Freiwilligen-Agentur, fand sie, dass deren Räume an der Langenbergstraße zu gestalten wären. Was sie im Kindergarten bereits erfolgreich praktiziert hatte, setzte sie hier fort. Schöner, netter, Aufwertung zwecks Wohlfühlatmosphäre – so könnte man die Intention knapp umreißen.
Am Anfang Blumen und Bocholter Buche
Was die Fensterfront anbelangt, begann es mit einer Deko aus ausgeschnittenen Blumen. Das war vor etwa sechs Jahren. Ganz schnell wurde deutlich, dass mehr dahinter stand als das, was vielfach als simple Bastelei gilt. Zum einen, was die pfiffigen Ideen und thematischen Bezüge angeht. Birgit Tebrokes Fensterbild von einem Baum im Winter zeigte nicht irgendeinen Baum, sondern die Buche des Bocholter Stadtwappens. Zum anderen wurden ihr Talent und ihr Feeling für die Gestaltung von Flächen und Räumen etwa bei ihrem Regenschirm-Motiv sichtbar. Dass dabei auch jeder Regentropfen einzeln aufgehängt wurde, weist zudem auf eine weitere Eigenschaft hin, nämlich auf eine schier unglaubliche Akribie.
Die gelungenen Anfänge ermunterten zu mehr, nämlich Jahreszeiten und besondere Ereignisse zum Anlass für jeweils neue Werke zu nehmen und so für einen steten Wandel zu sorgen. Das war der Beginn einer Serie, einer Fortsetzungsgeschichte in Bildern und Szenen. Ehrgeizig wie sie ist, ging es Birgit Tebroke auch um eine qualitative Weiterentwicklung. Die anfänglichen Fensterbilder wurden abgelöst durch eine Art Mini-Bühne, ein Tableau mit wechselnden Szenen – dreidimensional, räumlich, schließlich mit kleinen Puppen anstelle eindimensionaler Figuren und mit einem für die Atmosphäre wichtigen fotografischen Hintergrund als Kulisse.
Ein Türstopper ist ein Blumentopf
Damit sich die erforderlichen immer wieder neuen Ideen einstellen, ist es wichtig, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, sich inspirieren und Phantasie walten zu lassen. Birgit Tebroke hat etwas, das die meisten von uns nicht haben oder immer mehr verlernen: In den Dingen um uns herum womöglich anderes zu entdecken als das, wofür sie eigentlich gedacht und gemacht sind oder gehalten werden. So wird bei ihr aus einem kleinen Stück Schlauch ein Trinkglas, aus einer Chips-Dose eine Litfaßsäule oder aus einem umgedrehten Türstopper ein Blumentopf.
Um Ideen zu verwirklichen, ist es nötig, Läden und Baumärkte zu durchstreifen. Und auch das Internet, aber eher zwecks Fotos für das Hintergrundpanorama als für andere Materialien. Die gibt es meist nur in unnötig großen Mengen und erscheinen im Netz lediglich als Abbildung. „Ich muss die Dinge real sehen und fühlen“, sagt Birgit Tebroke. Damit für sie potenziell nützliche Teile vorrätig und verfügbar sind, gilt es zu sammeln und zu horten. Ihr Fundus auf dem Dachboden umfasst alles Erdenkliche, das irgendwann für irgendwas hilfreich sein könnte. Weil das keiner so genau weiß, gilt auch hier das Sammler-Schicksal: Immer mehr und lieber zu viel als zu wenig.
Wie in echt
In einer auf Perfektion und Superlative getrimmten Welt muss das Dargestellte schon stimmig sein, um ohne Zweifel anzusprechen. Die Proportionen müssen gewahrt werden, und wenn man genau hinschaut – und das soll man ja, weil das Entdecken und Erkennen reizvoll ist – ist die Miniatur-Weihnachtsmarkthütte mit einer richtigen Lichterkette beleuchtet und sehen die Minibrezeln aus Modelliermasse so aus wie die echten großen Brezeln, die man kennt. Birgit Tebroke weiß das, und hat beispielsweise für die aktuelle Frühlingsszene, die sie auf dem Foto oben zeigt, winzig kleine Samentütchen gestaltet.
Das Bemühen, die große Welt möglichst realistisch abzubilden, hat einen Nebeneffekt hervorgebracht: Zwei frühere Krefelder Kindergarten-Kolleginnen unterstützen Birgit Tebroke mit Rat und Tat. Sie freut sich über den Kontakt und ein tolles Teamwork, das ihre vielen Fähigkeiten um weitere ergänzt, wie zum Beispiel das Nähen winziger Kleidungsstücke für die Miniatur-Darstellerinnen und -Darsteller.
Zweifellos beinhaltet Birgit Tebrokes engagiertes kreatives Schaffen viel Arbeit, einen beträchtlichen Zeitaufwand und hin und wieder auch einen Fluch. Aber auch viele kleine Erfolgserlebnisse. Wenn es gelingt, für knifflige Details Lösungen zu finden und insbesondere wenn ein neues Werk fertiggestellt und von ihr für gut befunden ist, sorgt das für Zufriedenheit und Freude. Ein „richtiges“, nicht nur sicht- sondern auch greifbares Ergebnis, ein räumlich wahrnehmbares Werk – das beschert ein Glücksgefühl. „Das könnte ich mir stundenlang selbst angucken“, sagt Birgit Tebroke.
Kleine Welten locken Klein und Groß
Nicht nur ihr geht das so. In der Langenbergstraße bleiben Passanten vor dem Fenster der Freiwilligen-Agentur stehen und staunen. Immer häufiger, die Sache spricht sich herum. Teils kommen Kinder mit ihren Eltern immer wieder. Sie sind gespannt, was sie in diesem besonderen Guckkasten jedes Mal erwartet. Wenn sie alle in den kleinen Welten die große Welt entdecken, die sie sonst vielfach kaum wahrnehmen, wenn sie sich in die dargestellte Situation geradezu hineingezogen fühlen und in ihnen die Erwartung geweckt wird, dass aus dem Standbild sogleich eine bewegte Geschichte werden könnte, lächeln sie, ausnahmslos.
Freude zu vermitteln führt neben dem Spaß an der Sache zu neuen Ideen, neuen Wegen und Taten. Für ein „Sommermotiv“ gestaltete Birgit Tebroke eine Szene, in der zwei Personen zur Urlaubsfahrt aufbrechen. Im Vordergrund sah man ein Schild mit einem QR-Code, und wenn man den aktivierte, erklang das Lied „Ab in den Süden“. Bei ihr kann man sicher sein, dass immer neue Herausforderungen sie weiterhin antreiben und für immer neue Überraschungen sorgen werden. Weiterhin wird sie die Menschen mitnehmen auf naheliegende und doch außergewöhnliche und faszinierende Entdeckungsreisen, deren genaues Ziel auch sie selbst noch nicht kennt und die auch deshalb so verlockend sind. – jf –